IKT - Artikelarchiv
und/oder


IKT-eNewsletter April 2007
<<< Druckversion aller Artikel Druckversion des akuellen Artikels >>>


IKT-Newsletter

Gut gebettet liegt länger

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass in Testsituationen durch den Einsatz von fließfähigen Bettungsmaterialen im Vergleich zu Schüttgütern deutlich günstigere Bettungsbedingungen für Kanalrohre und damit auch geringere Rohrbelastungen erzielt werden können [1]. Diese Ergebnisse greift der Stadtentwässerungsbetrieb der Landeshauptstadt Düsseldorf (SEBD) auf und testet, unterstützt durch das IKT, den Einsatz fließfähiger Verfüllmaterialien in der Praxis.

Empfehlungen für Planung und Bauüberwachung

Großbildansicht
Flüssigboden umfließt das Rohr

Das IKT begleitet die Kanalbaumaßnahmen, bündelt die Erfahrungen und unterstützt mit gezielten Materialprüfungen. Ziel der Baustellenbegleitung durch das IKT ist es, Hinweise für die Planung, Ausschreibung und Bauüberwachung von Kanalbaumaßnahmen mit flüssigen Bettungsmitteln zu erarbeiten, um qualitativ hochwertige Baustellenergebnisse zuverlässig erzielen zu können. Dazu sollen zunächst erste Praxiserfahrungen im Rahmen von Kanalbaumaßnahmen dokumentiert und ausgewertet werden.

Großbildansicht
Überprüfung der Fließfähigkeit
und Rezeptur (Ausbreitmaß)

In dem nachfolgend dargestellten Fallbeispiel wird eine Kanalerneuerungsmaßnahme im Stadtgebiet Düsseldorf-Benrath durchgeführt. Dort wird der bestehende Mischwasserkanal DN 250/300 zurückgebaut und auf einer Länge von rund 220 m durch eine neue Steinzeugleitung DN 300/400 ersetzt. Der neue Kanal wird in offener Bauweise deutlich unterhalb der alten Trasse verlegt. Rund um das Rohr ist eine Bettung aus RSS®-Flüssigboden mit einer Mindestschichtdicke von 30 cm zur Rohraußenwandung herzustellen.

Großbildansicht
Baustelle in Düsseldorf:
Einbringen des Flüssigbodens

Durch die nahezu wasserundurchlässig gewählte Rezeptur des Flüssigbodens soll ein redundantes Rohr-/Bodensystem und gleichzeitig eine Rohrbettung entsprechend der statischen Anforderungen (insbesondere auch im Zwickelbereich) sichergestellt werden. So sollen gleich zwei Bauherrenanforderungen zuverlässig und wirtschaftlich in die Baupraxis umgesetzt werden:

  • eine gleichmäßige Rohrbettung, insbesondere auch im Rohrzwickel und
  • eine abdichtende Rohrummantelung in der Leitungszone (Redundantes Dichtsystem).

Um eine komplette Ummantelung mit Flüssigboden zu erreichen, werden die Rohre am Ende auf 30 cm hohe Auflagerbänke aus Flüssigboden mit besonderer Rezeptur, das heißt plastischen Eigenschaften, aufgelagert.

Als Baugrubenverbau kommen Dielenkammerverbau-Elemente zum Einsatz. Der Flüssigboden wird in zwei Konsistenzen eingebaut. Zur Herstellung der Auflagerbänke wird eine Rezeptur verwendet, die im Ergebnis plastisches Material ergibt. Zur weiteren Verfüllung der Rohrbettungszone (bis 30 cm über Rohrscheitel) wird eine Rezeptur gewählt, die das Material fließfähig einstellt. Die Rohrverbindungen werden auf dem plastischen Flüssigbodenmaterial aufgelagert. Die Auflagerhöhe sollte mindestens 30 cm betragen, da die Rohre komplett (auch unter der Sohle) in Flüssigboden einzubetten sind. Dabei soll der Flüssigboden einen kf-Wert < 10-9 aufweisen, um eine Kapselung der Leitungszone mit sehr wasserundurchlässigem Bettungsmaterial, dem „redundanten Dichtsystem“, zu gewährleisten. Um den Flüssigboden mit dieser geringen Wasserdurchlässigkeit herzustellen, ist es notwendig einen schluffig-tonigen Lieferboden als Ausgangsmaterial zu verwenden. Der anstehende Boden ist hierfür nicht geeignet. Er wird ausschließlich für die Hauptverfüllung wieder verwendet.

Rohrauflager

Das Rohrauflager wird punktuell im Bereich der Rohrverbindung mit plastischem Flüssigbodenmaterial (KP) hergestellt. Das plastische Flüssigbodenmaterial wird dabei wie ein klassisches Schüttgut verdichtet. Die Höhe des Rohrauflager soll eine Flüssigbodenverfüllung von mindestens 30 cm auch unterhalb der Sohle des Rohrschaftes ermöglichen. Der Wassergehalt des plastischen Materials (KP) wurde sehr gering eingestellt (nahezu erdfeucht). Hierdurch ließen sich kurze Auflagerbänke (ca. 50-100 cm lang) erzielen. Zur Auftriebssicherung wurde daraufhin eine Holzverstrebung gegenüber dem Verbauelement eingerichtet.

Auftriebssicherung

Großbildansicht
Ausbau der Auftriebssicherung
nachdem Flüssigboden in der ersten
Lage eingebaut wurde und die
Auftriebswirkung abgeklungen ist.

Bei der Verfüllung der Leitungszone mit Flüssigböden entstehen aufgrund der vergleichsweise hohen Wichte des Materials (ca. 18 – 20 kN/m2) je nach Bauverfahren (Verfüllhöhen) und Rohrgeometrie (Verdrängung) nicht zu vernachlässigende Auftriebskräfte. Im Rahmen des Bauvorhabens Büngerstraße wurde die Auftriebssicherung von der bauausführenden Firma durch Querriegel, die senkrecht gegen den Verbau abgestützt werden, im Bereich der Auflagerbänke eingerichtet. Der Ausbau der Auftriebssicherung erfolgte nachdem der Flüssigboden in der ersten Lage bis über den Rohrscheitel eingebaut wurde und die Auftriebswirkung abgeklungen ist.

Abschotten des Verfüllbereiches

Großbildansicht
Abschottung mit plastischem Material
im Bereich der letzten Muffe
bis auf Höhe Rohrscheitel

Vor der Lieferung des Flüssigbodens auf die Baustelle ist der Verfüllbereich einzugrenzen.

Die letzte Rohrmuffe dient jeweils als Anlagepunkt, um hier die Rohrverlegung im darauffolgenden Bauabschnitt fortsetzen zu können. Deswegen wird im Bereich des zuletzt verlegten Rohres ein Querschott (quer zur Rohrachse) mit plastischem Material eingerichtet. Darüber hinaus werden sämtliche Öffnungen, über die Flüssigboden in den Kanal eindringen könnte, verschlossen oder bis über die Verfüllebene hochgebaut (Rohrende, seitliche Anschlüsse, Schachtunterteil).

Einbau des Flüssigbodens

Großbildansicht
Querschott durch eine Stahlplatte
für eine Füllhöhe bis Erdplanum

Der Flüssigboden wird mit Fahrmischern in Mengen bis zu 8 m3 vom Mischwerk angeliefert. Um die Baustelle mit Flüssigboden zu versorgen, wurden ein bis zwei Mischfahrzeuge eingesetzt. Das Material sollte innerhalb von 90 Minuten nach der Herstellung der Mischung eingebaut werden. Verzögerungen führen zu einem Ansteifen des Materials bis hin zum Verlust der Fließfähigkeit. Entsprechend der Anwenderrichtlinie ist durch eine Bestimmung des Ausbreitmaßes vor dem Einfüllen des Flüssigbodens in den Rohrgraben die Materialkonsistenz zu überprüfen.

Das Einfüllen des Flüssigbodens erfolgt über Halbrohrschalen (Schütte). Um Rohrverschiebungen zu vermeiden, wird teilweise auch eine Verlängerung, bestehend aus einem Kunststoffrohr, eingesetzt. Die Verfüllzeit für 8 m3 Flüssigboden beträgt rund 10 bis 20 Minuten. Das Abklingen der Auftriebswirkung kann geprüft werden, indem beispielsweise durch einen Stab eine Vertiefung in die Oberfläche des Flüssigbodens ausgeführt wird. Zu dem Zeitpunkt, da der Flüssigboden nicht mehr nachfließt und die Vertiefung ausgleicht, kann mit dem Rückbau der Auftriebssicherung begonnen werden. Insbesondere während des Einbauprozesses des Flüssigbodens wird die Baustelle durch Bauzäune gegen unbefugtes Betreten sorgfältig gesichert. Der Rohrgrabenbereich wird weitestgehend freigehalten, um Stolperfallen zu vermeiden.

Probennahme und Materialprüfungen

Großbildansicht
Mit Verschlussdeckel
abgesperrter Seitenanschluss

Baubegleitend wurden ergänzende Materialprüfungen durchgeführt. Das Prüfprogramm wurde auf Basis der ersten Praxiserfahrungen auf der Baustelle und einer Recherche zu Betreibererfahrungen mit Flüssigboden-Baustellen sowie der Eigen- und Fremdüberwachung des Systemanbieters zusammengestellt. Im Fokus der Materialprüfungen stehen dabei folgende Nachweise:

  • geringe Wasserdurchlässigkeit des Flüssigbodens (kf-Wert < 10-9),
  • beständiges Mischverhältnis der Flüssigbodenkomponenten,
  • Festigkeitsentwicklung, auf Dauer tragfähig aber immer noch spatenlösbar.

Erste Baustellenerfahrungen

Aus den Beobachtungen und der Baustellendokumentation ergeben sich erste Hinweise für die Planung und Auschreibung von Kanalbaumaßnahmen unter Anwendung fließfähiger Bettungsmaterialien:

Großbildansicht
Probenbehälter zur Bestimmung
von Wasserdurchlässigkeit (kf-Wert)
und Würfeldruckfestigkeit

Planung und Ausschreibung
Die Bieterfirmen sollten Praxiserfahrungen zur Verarbeitung von Flüssigboden nachweisen. Eine Mindestanforderung sind Mitarbeiterschulungen beim Systemanbieter.

Die Anwenderrichtlinie und der Qualitätssicherungsplan des Systemanbieters sieht das rechtzeitige Ziehen des Verbaus innerhalb von 30 Minuten nach dem Einbau vor. Im Rahmen der Ausschreibung wurde festgelegt, dass der Verbau spätestens nach vier Stunden bis auf das Niveau der Verfüllung zu ziehen ist. Die Baufirmen sollten dies bei der Planung des Bauprozesses beachten und insbesondere bei der Preisbildung berücksichtigen. Hintergrund: Bei beengten Baufeldbedingungen, die ein seitliches Arbeiten von Baugeräten neben dem Rohrgraben kaum zulassen, kann eine Komplettverfüllung des Rohrgrabens mit Flüssigboden, über die Leitungszone hinaus, wirtschaftlich sein (Nebenangebot).

Vor diesem Hintergrund sollten die Bieterfirmen eine bautechnische Beschreibung der geplanten Vorgehensweise für den Verbau, die Auftriebssicherung, die Verfüllung und das Bodenmanagement sowie einen Qualitätssicherungsplan mit einem Prüfprogramm zur Eigen- und Fremdüberwachung vor Beginn der Baumaßnahme vorlegen. Die gewünschten Materialeigenschaften sollten durch Eignungsprüfungen nachgewiesen sein.

Zur späteren Materialidentifikation sollten Rezepturangaben bereits in den Ausschreibungsunterlagen angegeben werden. Darüber hinaus sollte die ausführende Baufirma auf der Baustelle Lieferscheine zu Herkunft, Rezeptur und Herstellungszeiten des Materials nachweisen können.

Zur Überwachung konstanter Materialeigenschaften sollte die Materialkonsistenz und das Fließverhalten in der Einführungsphase der neuen Flüssigboden-Technologie über den Versuch zum Ausbreitmaß zunächst auch auf der Baustelle bestimmt werden.

Neben der Statik für den Betriebszustand sind auch statische Nachweise für den Bauzustand zu führen, insbesondere zu den Einbaubelastungen durch Auftrieb.

Darüber hinaus ergeben sich aus den Beobachtungen und der Baustellendokumentation der Pilotbaustelle in der Büngerstraße Hinweise für die Überwachung von Kanalbaumaßnahmen unter Anwendung fließfähiger Bettungsmaterialien.

Bauüberwachung
Auf der Baustelle sollten mindestens stichprobenhaft folgende Aspekte überprüft werden:

  • Baustellensicherung, Maßnahmen gegen unbefugtes Betreten der Baustelle und gegen Hineinfallen in den Rohrgraben.
  • Durch den Verantwortlichen des Auftragnehmers auf der Baustelle sollte die Einbaudokumentation (Dokumente des Qualitätssicherungsplanes) ständig aktualisiert werden. Vorlage der Dokumente (Tagesbericht, Lieferscheine etc.) bei Baustellenbesuchen.
  • Die Auftriebssicherung der Rohre sollte vor dem Verfüllen fertig gestellt und überprüft sein.
  • Die Lagegenauigkeit der Rohre sollte baubegleitend kontinuierlich durch Spiegeln und Inaugenscheinnahme zeitnah überprüft werden.
  • Die Einhaltung der Rohrummantelung von mehr als 30 cm sollte durch Inaugenscheinnahme und stichprobenhafte Messungen (Zollstock) überprüft werden.
  • Die sorgfältige Abschottung der Verfüllbereiche ist rechtzeitig vor dem Beginn des Verfüllvorganges zu überprüfen.
  • Zur Reduzierung von Setzungen ist das zeitnahe Ziehen des Verbaus anzustreben und dann im Bauablauf zu überprüfen.
  • Die Flüssigbodenkonsistenz und das Fließverhalten des Materials sollten durch Bestimmung des Ausbreitmaßes auf der Baustelle überwacht werden.
  • Das Spülwasser zur Reinigung des Fahrmischers sollte nicht in den frisch verfüllten Rohrgraben abgelassen werden. Die dadurch verursachte Verdünnung des Materials trägt zur Rissbildung bei.

Im Rahmen des SEBD-Projektes ist eine weitere IKT-Begleitung für Kanalbaumaßnahmen unter Einsatz von fließfähigen Bettungsmitteln vorgesehen. Im Ergebnis werden Empfehlungen für die Ausschreibung und Überwachung von Kanalbaumaßnahmen mit fließfähigen Bettungsmitteln erarbeitet.

Literatur

[1] Triantafyllidis, T.; Bosseler, B.; Arsic, I.; Liebscher, M.: „Einsatz von Bettungs- und Verfüllmaterialien im Rohrleitungsbau – Laboruntersuchungen und Versuche im Maßstab 1:1“, Forschungsbericht Ruhr-Universität Bochum und IKT - Institut für Unterirdische Infrastruktur, im Auftrag des Umweltministeriums NRW (MUNLV), 2006. Download: www.ikt.de



Dipl.-Ing. Marco Schlüter
IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur gGmbH
Exterbruch 1
45886 Gelsenkirchen
Tel.: 0209 17806-31
Fax: 0209 17806-88
E-Mail: info@ikt.de
Internet: www.ikt.de



  Weitere Artikel zum Thema  
  Neubau  
  IKT-WinterSchool 2011/12 08/11  
  IKT-Forum "Klima, Energie und Kanalisation":
Vorträge zum Download verfügbar
02/11  
  Flach überdeckte Abwasserkanäle 05/09  
 


<<< Druckversion aller Artikel Druckversion des aktuellen Artikels >>>
Zum Seitenanfang >>>


© IKT - Institut für Unterirdische Infrastruktur gGmbH 2024
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung des IKT