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20.06.2002


Fachbereich 5: Infrastruktur

Falscheinleiter: Klarheit durch Nebeln

Die Stadt Flensburg wollte Klarheit über die Fremdwasserquellen in ihrem Kanalnetz. Deswegen fing sie bereits 1991 an, ihre Kanalisation zu nebeln. Zahlreiche Falscheinleiter wurden so entdeckt. Daraufhin beseitigten die Flensburger nach und nach alle privaten Fehlanschlüsse an das öffentliche Netz.

Auf dem IKT-Forum Fremdwasser Nord am 11. Juni 2002 in Neumünster, das gemeinsam vom IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur und dem Ingenieurbüro Udo Wiese, Kaltenkirchen, veranstaltet wurde, erläuterte Dipl.-Ing. Drews vom Fachbereich Infrastruktur der Stadt Flensburg die Vorgehensweise seines Amtes bei der Identifikation und anschließenden Beseitigung von Falscheinleitern.

Ca. 60 Teilnehmer aus Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen nahmen an diesem Forum teil und diskutierten intensiv die Flensburger Erfahrungen. Für diejenigen, die nicht daran teilnehmen konnten, geben wir hier die Ausführungen von Dipl.-Ing. Drews wieder:

Falscheinleiterfeststellung durch Nebeln
im Kanalnetz der Stadt Flensburg

Dipl.-Ing. Dietmar Drews

Das öffentliche Kanalnetz der Stadt Flensburg hatte zum Stand 31.12.2001 eine Gesamtlänge von rd. 487 km. Diese 487 km setzen sich zusammen aus

  • 238 km Regenwasserkanal,

  • 228 km Schmutzwasserkanal und

  •   21 km Mischwasserkanal


Bild 1: Fremdwasserzutritt aus Hausanschlussleitung 

1. Falscheinleitung Schmutzwasser in den Regenwasserkanal

Anfang der 90er Jahre wurde als Ziel formuliert, das Regenwasserkanalnetz frei von Schmutzwasser-Falscheinleitungen zu bekommen. Für diesen Zweck wurden im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme im Jahre 1991 drei Kräfte, und zwar ein Ingenieur, ein Techniker und ein Zeichner für ein Jahr eingestellt. Diese Mitarbeiter haben gezielt in einem Teil des Stadtgebietes Straßenzüge untersucht, in denen Falschanschlüsse vermutet wurden. Die Arbeitsweise erfolgte in der Form, dass die Grundstückseigentümer über die beabsichtigte Untersuchung informiert wurden. Die Grundstücks-entwässerungsanlage "Schmutzwasser" wurde mit Uranin gefärbt und der Eintritt in das öffentliche Schmutz- oder Regenwassernetz wurde verfolgt. Dieses Verfahren war sehr zeitaufwendig, weil in der Altbausubstanz zu einem großen Teil keine Grundstücksübergabeschächte vorhanden waren und somit im Haus das Uranin in das Toilettenbecken oder sonstige Schmutzwasserabfluß-möglichkeit eingebracht werden mußte. Soweit eine Trennung auf dem Grundstück und Grundstücksübergabeschächte vorhanden waren, wurde das Uranin in den Grundstücksübergabeschacht "Schmutzwasser" eingebracht. Sofern Anschlüsse von Schmutzwasser in das Regenwassernetz festgestellt wurden, wurde diese Erkenntnis an den Mitarbeiter der "Grundstücks-entwässerung" weitergegeben. Von diesem wurde der Grundeigentümer aufgefordert, den Schmutzwasseranschluss umzuschließen.

Aufgrund der vielen festgestellten Falschanschlüsse kam die Erkenntnis, dass eine flächendeckende Untersuchung des gesamten Regenwasserkanalnetzes auf Schmutzwassereinleitungen erforderlich ist.

Darüber hinaus ergab sich über das Abwasserabgabengesetz eine Handlungsnotwendigkeit. In dem Gesetz zur Ausführung des Abwasserabgabengesetzes vom 13.11.1990 wurde in § 8 – Abgabe für Niederschlagswasser – festgelegt, dass die Abgabepflicht für die Einleitung von Niederschlagswasser aus einer Trennkanalisation für den Zeitraum bis zum 31.12.1994 entfällt, wenn der Einleiter bis zu diesem Zeitpunkt nachweist, dass das Niederschlagswasser nicht durch Schmutzwasser aus Fehlanschlüssen verunreinigt ist.

Es zeigte sich, dass die bisherige Art und Weise der Falscheinleiterfeststellung zu aufwendig war und für eine flächendeckende Untersuchung des gesamten Regenwasserkanalnetzes nicht geeignet ist. Es musste daher ein anderes Verfahren gesucht werden.

Die erste Überlegung war, in zentralen Schächten des Regenwasserkanalnetzes Abwasserproben zu ziehen und diese auf Ammoniumstickstoff zu untersuchen. Sofern nennenswerte Gehalte von Ammoniumstickstoff festgestellt werden, sollte das Regenwasserkanalnetz weiter untersucht werden. Dieses sollte in der Form geschehen, dass zunächst weitere Schächte, an denen mindestens zwei Regenwasserkanalzüge anschließen, auf Ammoniumstickstoff untersucht werden. Danach sollten die Regenwasserkanalzüge haltungsweise einzeln auf Fehlanschlüsse untersucht werden.

Die zweite Überlegung war, die vorhandenen Kanalfilme des Regenwasserkanalnetzes auf Indizien von Falscheinleitungen zu überprüfen. In Verbindung mit dem EG-Pilotprojekt "Flensburger Förde", welches zur Verbesserung der Wasserqualität der Flensburger Förde führen sollte, wurde das gesamte Kanalnetz der Innenstadt mit einem Kanalfernauge untersucht, und die Ergebnisse wurden auf Video-Bändern festgehalten und lagen somit bereits vor.

Die erste Variante der Untersuchung des Regenwasserkanales mittels Abwasserproben wurde stichprobenartig ausprobiert. Der Zeitaufwand war größer als zunächst angenommen. Es wurde daher vermutet, dass die zweite Variante der Untersuchung des Regenwasserkanales in Form der Auswertung der Videoaufnahmen des Regenwasserkanalnetzes erheblich weniger Zeit beanspruchen würde als die erste Variante. Daher wurden zusätzlich die Regenwasserkanäle in den Stadtrandgebieten mit einer Kanalkamera abgefahren, so dass das gesamte Regenwasserkanalnetz per Video-Aufnahme vorlag.

Ein Ver- und Entsorger hat in ca. einem Vierteljahr alle Video-Bänder des Regenwasserkanalnetzes auf Schmutzwasserfalscheinleitungen kontrolliert. Sofern bei den Abzweigern Abwasser ersichtlich war, z. B. durch Anhaftung von Papier oder ähnlichen Stoffen, wurde die Stelle im Netzplan gekennzeichnet, weil an diesen Stellen Schmutzwassereinleitungen vermutet wurden. Die gekennzeichneten Stellen aus dem Netzplan wurden in einen Lageplan übertragen, um als Grundlage für eine spätere Untersuchung zu dienen. Im Rahmen einer Ausschreibung wurde ein Bauunternehmen beauftragt, die Falscheinleitersuche mit einem Nebelgerät und im Einzelfall auch mit einem Färbesystem durchzuführen.


Bild 2: Färbetest

Die Maßnahme dauerte insgesamt 1 ½ Jahre. Die Arbeitsgruppe wurde von einem städtischen Ingenieur geleitet. Von dem Bauunternehmen wurden drei Mitarbeiter für das Nebeln eingesetzt.

Durch das Nebelverfahren konnten die Falschanschlüsse schnell festgestellt werden. Das Färben war nur selten erforderlich. Durch einen Mitarbeiter der "Grundstücksentwässerung" wurden die Grundeigentümer aufgefordert, den Schmutzwasseranschluss umzuschließen. Bis Ende 1994 wurden alle festgestellten Falscheinleitungen in das öffentliche Regenwasserkanalnetz beseitigt. Die Stadt Flensburg war dadurch in der Lage, an das Amt für Land- und Wasserwirtschaft (ALW), heute Staatliches Umweltamt, die Erklärung abzugeben, dass am öffentlichen Regenwasserkanalnetz keine Falschanschlüsse vorhanden sind, wodurch Abgabenfreiheit erzielt worden ist.

2. Falscheinleitung Regenwasser in den Schmutz- und Mischwasserkanal

In einer Schmutzwasserpumpstation für den Stadtteilbereich Mürwik und der Stadt Glücksburg zeigte sich, dass bei Regenereignissen die bis zu 2-fache Abwassermenge gegenüber dem Trockenwetterereignis festgestellt wurde (Trockenwetter 265 m³/Stunde, Regenwetter 520 m³/Stunde).

Es wurde daher beschlossen, dass das gesamte Schmutz- und Mischwasser-kanalnetz der Stadt Flensburg von Osten nach Westen auf Regenwasser-falscheinleitungen untersucht werden soll. Aufgrund der guten Erfahrungen im Schmutzwasserbereich sollte die Untersuchung mit einem Nebelprüfgerät erfolgen. Es wurde ein Nebelprüfgerät beschafft und die Untersuchung erfolgte mit drei eigenen Kräften.

Für diese Arbeitsgruppe wurde über unser Kanalinformationssystem (KIS) für den jeweiligen Stadtbereich das Schmutzwassernetz ausgeplottet. Von den Mitarbeitern wurde jede einzelne Haltung abgearbeitet, die Falschanschlüsse (Anschluss von Drainagen, Dachentwässerung, usw.) wurden auf Lageplänen gekennzeichnet und diese zur weiteren Bearbeitung an den Mitarbeiter der "Grundstücksentwässerung" weitergegeben.

Mit dem Nebelprüfgerät konnten bis zu drei Haltungen mit einer Länge von jeweils 50-70 m untersucht werden. Der Zeitaufwand für diese Untersuchung war je nach Bebauung unterschiedlich und betrug im Mittel 45 Minuten. Der unterschiedliche Zeitaufwand ergibt sich durch die Größe und Zugänglichkeit der Häuser und Nebenbauten auf den Grundstücken, weil es erforderlich ist, um die Häuser zu gehen und sämtliche Regenabflussstellen zu kontrollieren, ob evtl. Nebel herauskommt. Später stellte sich heraus, dass teilweise Falschanschlüsse nicht festgestellt werden konnten, weil der Regeneinlauf mit Blättern verstopft war, dadurch konnte der Nebel die dichte Blätterschicht nicht durchdringen.  


 
Bild 3: Einsatz eines Nebelgerätes

Durch Vernebelungen konnte auch der Anschluss von Drainagen an die Schmutzwasserleitung festgestellt werden. In diesem Fall dringt der Rauch aus dem Erdreich rund um das Haus. Bei nicht fachgerecht ausgeführten Schmutzwasseranlagen bekamen wir Hinweise von den Mietern, dass Rauch in der Wohnung war. In diesen Fällen konnten Schäden an der Abwasseranlage (Anschluss WC, Riss in der Leitung, usw.) festgestellt werden. In einem Fall wurde von einem Anlieger die Rauchentwicklung falsch interpretiert und die Feuerwehr gerufen.

Die Untersuchung des gesamten Schmutz- und Mischwasserkanalnetzes (249 km) auf Regenwasser-Falscheinleitungen dauerte mit drei Kräften 1 ¾ Jahre. Der Mitarbeiter der "Grundstücksentwässerung" hatte einen Nachlauf von zwei Jahren, um alle Grundeigentümer aufzufordern, die Falschanschlüsse zu beseitigen. Bis Ende 2000 wurden alle festgestellten Falscheinleitungen in das öffentliche Schmutzwasser- und Mischwasserkanalnetz beseitigt.

 

Für weitere Informationen
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Dipl.-Ing. Dietmar Drews
Stadt Flensburg
Fachbereich 5: Infrastruktur
Tiefbau und Entsorgung
Tel.: 0461 85-2828
Fax: 0461 85-1668
Email: klaerwerk-flbg@fony.de



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