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01.09.2003


Wenn Bäume in Rohren Wurzeln schlagen

Wenn Bäume in Rohren Wurzeln schlagen

 

Was ist Schuld daran, wenn Bäume mit ihren Wurzeln in Rohrleitungen eindringen, was zu jährlichen Schäden in Millionenhöhe führt? Eigentlich war man sich einig, die Wurzel drängt zum Wasser, das an undichten Stellen aus den Rohren sickert. Doch Ingenieure und Biologen am Lehrstuhl für Spezielle Botanik, des Botanischen Gartens der RUB und des IKT - Instituts für Unterirdische Infrastruktur, Gelsenkirchen, widerlegen jetzt die «Leck-Hypothese»: Sie finden heraus, dass die Dichte des Bodens über das Richtungswachstum der Wurzel entscheidet und ziehen Konsequenzen für den Leitungsbau.

Was gegen undichte Rohre spricht

Die primäre Funktion der Wurzel ist die Wasseraufnahme. Deshalb vermuteten Biologen und Ingenieure zunächst, dass die Wurzeln zum Wasser wachsen, das aus undichten Rohren sickert. Dagegen spricht nun u.a., dass die Wurzeln oberhalb des mittleren Wasserstandes an der Muffe (Rohrverbindung) in das Rohr eindringen, kaum in das Abwasser eintauchen und wo dies doch der Fall ist, stark geschädigt sind. Außerdem verzweigen sich die Wurzeln außerhalb des Rohres kaum, was im feuchten Boden der Fall wäre. Zudem setzen sich kleine Lecks in Schmutzwasserkanälen schnell wieder zu und Wasserstände von normalerweise weniger als 20 cm im Rohr üben kaum den notwendigen Druck für nennenswerte Sickerverluste aus.

 

Abb. 1:In den Schmutzwasserkanal dringt die Wurzel oberhalb des mittleren Wasserstandes in das Rohr ein und verzweigt sich sofort stark

 

Wurzelspitze im Visier

Schließlich nehmen die Forscher die Wurzelhaube (Kalyptra) «in Sachen Richtungswachstum» näher ins Visier. Sie bohrt sich in den Boden, indem hinter der Kalyptra liegende Zellen nach vorn gedrückt werden. Und hier fand sich die Lösung: Wie in der Menschenmenge im Fußballstadion weitere hinzuströmende Gruppen dorthin ausweichen, wo die Besucher weniger dichtgedrängt beieinander stehen, entscheidet die Dichte des Bodens über die Richtung des Wurzelwachstums. An einer Dichtegrenze wächst die Wurzel immer in das weniger dichte Substrat hinein.

 

Abb. 2: Aufbau der Wurzelspitze

 

Wurzelwachstum: Über drei «Dichtefallen» in’s Rohr

So kann der ganze Leitungsgraben zur «Dichtefalle»(Nr. 1) werden, wenn das Füllmaterial einen für das Wurzelwachstum «bequemen» Porenraum besitzt. Dann wachsen die Wurzeln parallel zur Rohrleitung und erreichen mit der ersten Muffe (Rohrverbindung) die nächste «Dichtefalle» (Nr. 2) – einen Hohlraum, der sich aus der Konstruktion der Muffe ergibt. Die ausgegrabenen Rohre zeigen, dass eine Wurzel mehr als zwei Jahre in diesem Hohlraum wachsen kann (Jahresringe der Wurzeln). Dann hat sie sich den Rückweg in der Regel selbst «verbaut», schiebt die Dichtung beiseite und dringt in das Innere des Rohres («Dichtefalle» Nr. 3) ein.

Konsequenzen für Dichtungsgestaltung, Bettung und Verfüllung

Da Einwurzelungen in Leitungsrohre zehn und mehr Jahre dauern, Forschungsergebnisse aber in rund zwei Jahren vorliegen müssen, wollen die Biologen durch geeignete Modellorganismen aus dem Botanischen Garten der RUB und durch Modellversuche den Untersuchungszeitraum verkürzen und ihre Ergebnisse weiter festigen. Doch schon jetzt zeigt sich, dass auch ordnungsgemäß verlegte, intakte Rohrleitungen gegen Wurzelschäden kaum gefeit sind. Auch Dichtungsgestaltung sowie Bettung der Leitung und die Verfüllung der Gräben müssen unter dem Gesichtspunkt der Wurzelfestigkeit zukünftig mehr berücksichtigt werden.

«Sauerstoff-Hypothese»: Bisher nicht bestätigt

Derzeit untersuchen die Biologen außerdem, ob ein möglicher «Sauerstoffgradient» das Richtungswachstum zusätzlich beeinflusst: Dichtungen können – auch wenn sie keine Flüssigkeits-Lecks aufweisen – für Gase durchlässig werden. Da Wurzelwachstum Energie und damit immer auch Sauerstoff verbraucht, könnte die Sauerstoffversorgung über Leitungssysteme eine Rolle spielen – besonders in Städten, in denen der Gasaustausch über die Bodenoberfläche durch Versiegelung eingeschränkt ist. Bislang haben die Forscher dafür aber weder durch Grabungen noch experimentell Anhaltspunkte gefunden. 

Im Internet können Sie den in der Wissenschaftszeitung der Ruhruniversität Bochum (RUBIN) erschienenen Artikel unter
https://www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/rbin1_03/pdf/beitrag8_natur.pdf

 als pdf-Dokument herunterladen.

 
Für weitere Informationen
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Dipl.-Ing. Christoph Bennerscheidt
IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur
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