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IKT-Forum Kanalreinigung 2001

Kanalreinigung: Keine Alternativen zur Hochdruckspülung?

Doch! – sagt die Stadt Bielefeld. Seit 1984 setzt sie erfolgreich die sog. "Göttinger Kugel" ein. Und zwar vor allem da, wo die schweren HD-Reinigungswagen nicht heran können. Auf dem IKT-Forum Kanalreinigung 2001 am 28. Juni stellte sie nun ihre "Kugel-Erfahrungen" vor.

 

Praxiserfahrungen mit der "Göttinger Kugel"

Dipl.-Ing. Dieter Blome, Ltd. Baudirektor bei der Stadtentwässerung Bielefeld, berichtete über diese mittlerweile langjährige Praxis mit der "Göttinger Kugel". Sie wird in vier Abwasserkanälen eingesetzt, die eine Gesamtlänge von 16.400 m und Gefälle zwischen 1,5‰ und 60‰ haben. Die Rohrdurchmesser liegen zwischen 450 und 1600 mm und die der Kugeln zwischen 350mm und 600mm
(Bild 1).

 


Bild 1: "Göttinger Kugel" (in freier Wildbahn)
(Download ca. 190 kb)

Technisch aber auch wirtschaftlich betrachtet sind die langjährigen Erfahrungen positiv. Jedoch sind es besondere Gründe, warum die alternative Reinigungsmethode in Bielefeld seit Jahren angewandt wird.

Auch in schwierigem Gelände einsetzbar

Die Eingemeindung überwiegend ländlicher Kommunen zu Bielefeld machte Ende der 70er Jahre den Bau langer Verbindungssammler notwendig. Schon sehr bald zeigte sich, dass die Reinigung dieser Sammler mit Hochdruckspülfahrzeugen außerordentliche Schwierigkeiten bereitete (Bild 2). Sammler und Schächte mussten zwangsläufig parallel zu Bachläufen oder in landwirtschaftlich genutzten, privaten Ackerflächen verlegt werden. Die schweren Hochdruckspüler blieben aber regelmäßig in dem unwegsamen Gelände stecken. 

  


Bild 2: Einsatz der Kugel in
unwegsamen Gelände

Viele Schächte sind zudem unzugänglich, weil sie zur Bewirtschaftung der Felder einfach mit Ackerboden überschüttet sind. Bielefeld suchte nach einer Lösung und probierte eine einfache – und wie sich herausstellte – wirksame Alternative aus.
 

Einfache Anwendung und Handhabung

Die Anwendung und Funktionsweise der "Göttinger Kugel" ist denkbar einfach. Die Kugel stellt ein Hindernis für das Abwasser dar und wird mit erhöhter Geschwindigkeit umströmt. Die dabei erzeugten Turbulenzen wirbeln Ablagerungen auf bzw. verhindern neue Ablagerungen. Eine "Göttinger Kugel" wird regelmäßig, zwei bis fünf Mal pro Woche, in den Kanal eingelassen. Von der Abwasserströmung angetrieben rollt sie stromabwärts durch den Kanal und wird meistens kurz vor der Kläranlage wieder entnommen, um erneut oberhalb eingesetzt werden zu können. Notwendig sind zwei Mann Personal, einige Kugeln, ein Pritschenwagen und ein Auffang-Rechen (Bilder 3 und 4).

 


Bild 3: Auffangeinrichtung für die Spülkugel
(Download ca. 112 kb)
 


Bild 4: Zwei-Mann-Kolonne für den Spülkugeleinsatz (Download ca. 130 kb)

Positive Betriebserfahrungen und gute Reinigungsleistungen

Die Bielefelder Stadtentwässerung verfügt über elf Reinigungskugeln, die im Nennweitenbereich von DN 450 bis DN 1600 eingesetzt werden. Erfahrungsgemäß müssen deren Gummiwülste nach ca. sechs bis sieben Jahren ersetzt werden. Nach anfänglichen Schwierigkeiten läuft die Kanalreinhaltung der vier Sammler mit den "Göttinger Kugeln" bis heute ohne größere Probleme. Eine Überprüfung der Wirksamkeit des Verfahrens erfolgte nach 15 Jahren durch eine herkömmliche Hochdruckspülung. Die dadurch gelöste Schmutzfracht war bei allen vier Sammlern erstaunlich gering. Ein Ergebnis, das sicherlich auf die Kugelreinigung in Verbindung mit der hohen Strömungsgeschwindigkeit im Sammler zurückzuführen ist.


Nicht immer und überall erfolgreich

Wegen der guten Betriebserfahrungen probierte die Bielefelder Stadtentwässerung die "Göttinger Kugel" auch an weiteren Stellen ihres Netzes aus. Dabei gab es allerdings gravierende Schwierigkeiten: die Kugel blieb mehrfach stecken, setzte sich nicht von selber wieder in Bewegung und mußte jedesmal aufwendig gesucht werden. Entscheidend für den erfolgreichen Einsatz der Kugel sind daher immer auch günstige Einsatzbedingungen, die u.a. durch das Abwasseraufkommen und den baulichen Zustand des Kanals bestimmt werden.

Wirtschaftlichkeit und Kostenvergleich mit HD-Spülung

Bielefeld hat alle Kugeleinsätze lückenlos protokolliert und kennt daher den entstandenen Aufwand sehr genau. Unter Berücksichtigung aller Kosten (Anschaffung Kugeln und Fahrzeug, Löhne) ergeben sich Durchschnittskosten von DM 200 pro Tag. Bei rund 200 Einsatztagen im Jahr gibt Bielefeld somit für die Reinigung mit der "Göttinger Kugel" insgesamt rund DM 40.000 jährlich aus.

Die HD-Reinigung erfordert bei den in Frage kommenden Sammlern 410 Arbeitsstunden, die in Bielefeld mit 160 DM/Std. kalkuliert werden. Die Gesamtkosten betragen daher DM 65.600; allerdings muß laut NRW-Eigenkontrollverordnung spätestens alle zwei Jahre inspiziert und davor gereinigt werden, so dass sich die jährlichen Kosten auf DM 32.800 belaufen.

Die folgende Übersicht zeigt einen direkten Kostenvergleich der "Göttinger Kugel" mit dem HD-Spülverfahren:

 

HD-Reinigung

Göttinger Kugel

Häufigkeit

0,5/Jahr

200 Tage/Jahr

Zeitaufwand

410 Std/2 Jahre

1200Std/Jahr

Einzelkosten

160 DM/Std

200 DM/Tag

Jahreskosten

32.800,-DM

40.000,-DM

spezifische Kosten

4,06 DM/m

2,50 DM/m

Die "Göttinger Kugel" ist also v.a. dann wirtschaftlicher als die HD-Reinigung, wenn häufig gereinigt werden muß.

 

"Göttinger Kugel" und Bielefelder Vorteile

Zusammengefasst sind die Vorteile der "Göttinger Kugel" aus Sicht der Stadtentwässerung Bielefeld mit ihrer 18jähriger Betriebserfahrung folgende:

  • gute Reinigungsleistungen bei vertretbaren Kosten
  • Einsatz an Stellen möglich, wo schwere Spülwagen nicht in Frage kommen
  • Wetterunabhängigkeit des Verfahrens (auch bei Frost)
  • kein Lärm und damit keine Bürgerbeschwerden
  • 18 Jahre unfallfreier Betrieb
  • jeder erfolgreiche Kugeldurchlauf erbringt Nachweis der Kanaldurchgängigkeit, d.h. es befinden sich keine großen Hindernisse oder Schäden in der Leitung
  • Umweltfreundlichkeit

Aus diesen Gründe wird die Kugelreinigung in Bielefeld in den genannten Fällen immer noch als sinnvolle Ergänzung zur HD-Reinigung angesehen und – solange es die Personalsituation zuläßt – auch weiter betrieben.

 

Für weitere Informationen
wenden Sie sich bitte an:

Dipl.-Ing. Marco Schlüter
IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur
Postfach 10 09 43, 45809 Gelsenkirchen
Tel.: 0209 17806-0
Fax: 0209 17806 –88
Email: schlueter@ikt.de

 



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