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IKT-eNewsletter Oktober 2001
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Rohre aus Stahlbeton sich dadurch aus, dass vergleichsweise hohe statische und dynamische Lasten aufgenommen werden können

Großrohre: Mindestbewehrung für Stahlbetonrohre notwendig?

Stahlbetonrohre haben geringere Wanddicken als Betonrohre, weil ihre Stahlbewehrung teilweise Beton ersetzt. Sie sind leichter und daher einfacher und preiswerter zu transportieren und einzubauen. Sind sie aber auch gleichermaßen dauerhaft und langfristig wirtschaftlich? Das IKT prüft, ob eine Mindestbewehrung notwendig ist.

Mehr Umweltschutz durch mehr Großrohre

Früher lief die Kanalisation bei Starkregenereignissen einfach über und das Abwasser wurde ungeklärt in Flüsse abgegeben. Inzwischen herrscht ein viel strengeres Umweltbewußtsein vor – derartige Abschläge sind sehr unerwünscht. Daher ist ein Trend zum Bau großer Stauraumkanäle unübersehbar. Netzbetreiber legen v.a. ihre Hauptsammler so aus, daß sie auch große Mengen an Regenwasser aufnehmen und kontrolliert an die Kläranlagen abgeben können. Dafür müssen künftig mehr Großrohre als bisher gebaut werden.

Aber auch für große Neubauprojekte müssen zahlreiche Großrohre eingesetzt werden, so z.B. für die naturnahe Umgestaltung der Emscher. Daher startet das IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur zusammen mit der Emschergenossenschaft/Lippeverband das Forschungsprojekt "Qualitäts- und Kostensicherung beim Bau begehbarer Abwasserkanäle aus Stahlbetonrohren". Ziel ist es zu untersuchen, inwieweit besondere Qualitätsstandards bei der Mindestbewehrung von Stahlbetonrohren notwendig sind.

Geringe Wanddicken, hohe Lasten

Rohre aus Stahlbeton zeichnen sich dadurch aus, dass sie vergleichsweise hohe statische und dynamische Lasten bei verhältnismäßig geringen Wanddicken aufnehmen. Erreicht wird dies durch den Verbund zwischen dem Beton, der die Druckspannungen aufnimmt, und dem Bewehrungsstahl, der die Zugspannungen abträgt.

Abwasserrohre im allgemeinen und somit auch Abwasserrohre aus dem Verbundwerkstoff Stahlbeton im speziellen müssen sowohl tragfähig als auch dauerhaft dicht sein. Die Tragfähigkeit von Rohren aus Stahlbeton wird nach DIN 1045 im sogenannten "Zustand II" berechnet. Dies bedeutet, dass die auftretenden Zugspannungen einzig von der Stahlbewehrung aufgenommen werden. Gleichzeitig müssen, um diesen Zustand zu erreichen, planmäßige Risse im Beton auftreten. Daneben fordert die DIN 4035 aus Gründen der Wasserdichtheit, dass Rohre möglichst rissfrei sein müssen. Um diese Anforderung zu erfüllen, wird neben dem Tragfähigkeitsnachweis im "Zustand II" nach DIN 4035 ein Nachweis der Verminderung der Rissbildung unter vollen Mitwirkung des Betons in der Zugzone, dem "Zustand I", geführt.

Können Stahlbetonrohre überhaupt rissfrei sein?

Diese doppelte Bemessung für de "Zustand I" und den "Zustand II" erzeugt in der Praxis bei vielen Auftraggebern Unverständnis wenn Risse auftreten, da sie aufgrund der Bemessung nach "Zustand I" rissfreie Rohre erwarten. Dabei wird jedoch vergessen, dass der Nachweis des Gebrauchszustandes ohne Berücksichtigung eines Sicherheitsbeiwertes erfolgte und die Prüfung der Ringbiegezugfestigkeit nur durch die Scheiteldruckprüfung als Erstbelastung, nicht aber am eingebauten Rohr unter Dauerbelastung, durchgeführt wurde.

"Klassischer" Scheiteldruckversuch

Bislang wird zur Durchführung der Scheiteldruckprüfung ein Stahlbetonrohr auf zwei, zuvor mit einem dünnen Gipsbett versehenen Auflagerbalken aus astfreiem Hartholz im Abstand 0,3 da gelagert und über einen Druckbalken aus astfreiem Hartholz belastet. Die Ringbiegezugfestigkeit wird aus der Risskraft errechnet, bei der ein Riss von 0,2 mm Spaltweite und 300 mm Länge und darüber auftritt.

Der Nachweis der Rohr-Vergleichsspannung nach DIN 4035 stellt keine Rissbreitenbeschränkung, sondern nur eine Festlegung des Rissbeginns dar. Eine Rissbreitenentwickung weit über die dabei definierten 0,2 mm kann somit nicht sicher ausgeschlossen werden.

Daher wird in der Fachwelt bereits seit geraumer Zeit vermutet, daß dieser "klassische" Scheiteldruckversuch die Realität der Einbausituation eines Großrohrs nicht zutreffend erfaßt.


Versuchsanordnung für die "klassische" Scheiteldruckprüfung eines kreisförmigen Rohres mit Falzmuffe nach DIN 4035  (Download ca. 150 kb)

IKT entwickelt modifizierten Scheiteldruckversuch

Aus diesem Grund ist eine Änderung des Versuchsaufbaus notwendig, um realistische Aussagen über die Tragfähigkeit von Großrohren zu erhalten. Das IKT entwickelt daher in diesem Forschungsprojekt einen modifizierten Scheiteldruckversuch, der das Trag- und Rissverhalten von Stahlbetonrohren großer Nennweite (> DN 1800) zuverlässig prüft.

 
In den nächsten Monaten werden insgesamt 30 Scheiteldruckversuche mit seitlicher Stützung an Rohren der Nennweite DN 2000 in der Versuchshalle des IKT in Gelsenkirchen durchgeführt. Variiert werden sowohl der Bewehrungsgrad der Rohre als auch das Herstellungsverfahren. Geprüft werden sofortentschalte Rohre und Rohre, die in der Schalung erhärtet sind. Die Erfahrungen der Praxis werden durch die Mitarbeit der Emschergenossenschaft in das Projekt einfließen. Wissenschaftliche Unterstützung erhält das IKT durch den Lehrstuhl für Stahlbeton- und Spannbetonbau der Ruhr-Universität Bochum.

 


Versuchsaufbau für den modifizierten Scheiteldruckversuch

Erwartete Ergebnisse

Mit diesem Projekt will das IKT v.a. die Frage beantworten, ob Großrohre aus Stahlbeton mit einer bestimmten Mindestbewehrung versehen sein müssen, damit sie eine hohe Lebensdauer haben. Schäden sollen auf diesen Weise verhindert und Investitionsrisiken vermindert werden. Die Ergebnisse werden Ende 2002 vorliegen.

 

Für weitere Informationen
wenden Sie sich an:

Dipl.-Ing. Andreas Redmann
IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur
Tel.: 0209 17806-0

Email: redmann@ikt.de



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