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IKT-eNewsletter Februar 2004
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Sanierungskonzepte von Grundstücksentwässerungen
IKT: Ja zum Schlauchlining, aber ....

Wie sehen eigentlich Schlauchliner nach mehrjährigem Kanalbetrieb aus? Welche Faktoren haben Einfluß auf ihre Qualität und was kann aus möglichen Fehlern der Vergangenheit gelernt werden? Diesen Fragen ging das IKT in einem sehr umfangreichen Forschungsprojekt nach. Dreizehn sanierte Rohre wurden aus den Kanalnetzen verschiedener Städte ausgegraben und gründlich untersucht. Fazit: Ja zum Schlauchlining als Sanierungsverfahren, aber die Qualität muß strengstens überwacht werden.

Über dieses Projekt erschien in der Januar-Ausgabe 2004 der Fachzeitschrift bi-UmweltBau ein Beitrag des Chefredakteurs Artur Graf zu Eulenburg, den wir hier ungekürzt wiedergeben:

 
IKT präsentiert Forschungsergebnisse:

Ja zum Schlauchlining, aber ...

Am 16. Dezember 2003 stellte das IKT - Institut für Unterirdische Infrastruktur in Gelsenkirchen den von vielen mit Spannung erwarteten Abschlussbericht des Forschungsvorhabens "Qualitätseinflüsse Schlauchliner – Stichprobenuntersuchung an sanierten Abwasserkanälen" vor. 

 
Über zwei Jahre haben IKT-Experten unter Leitung von Dr. Bert Bosseler und Marco Schlüter geforscht. Proben aus 13 sanierten Haltungen mit mehrjährigem Kanalbetrieb "auf dem Buckel" wurden intensiv untersucht. Mit einem Gesamtvolumen von rund 500.000 Euro war das Projekt das bisher aufwändigste Forschungsvorhaben in Sachen Schlauchlining weltweit.

Ein absolutes Novum war es, Kanalabschnitte komplett mit Schlauch und Rohr auszugraben und detailliert im IKT "unter die Lupe" zu nehmen. Dies geht weit über die üblichen Analysen von Materialproben und optische Inspektionen mit TV-Kameras hinaus. Wozu dieser Aufwand?

 

Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden sanierte Kanalabschnitte ausgegraben und detailliert im IKT untersucht.

 
Großes Interesse der Netzbetreiber
 
"Obwohl Schlauchlining als marktführendes Kanalsanierungsverfahren inzwischen als absolut etabliert bezeichnet werden kann, herrscht bei vielen Netzbetreibern nach wie vor eine tiefe Verunsicherung," kennzeichnet IKT-Geschäftsführer Roland W. Waniek die Ausgangslage. Denn um die langfristige Wirtschaftlichkeit von Sanierungsmaßnahmen bewerten zu können, sind Kenntnisse hinsichtlich der zu erwartenden Lebensdauer von entscheidender Bedeutung. Hierzu fehlte es jedoch bisher genauso an unabhängigen und wissenschaftlich untermauerten Aussagen wie zu den Faktoren, welche die Nutzungsdauer eines Schlauchliners gravierend beeinflussen.  

Roland W. Waniek: "Das Interesse der Netzbetreiber an diesem Forschungsvorhaben war riesengroß."

   

 

 
Vor diesem Hintergrund sahen sich die Netzbetreiber der Städte Bochum, Dortmund, Duisburg, Gladbeck, Hilden, Mönchengladbach, Münster und Nürnberg sowie die Henkel AG veranlasst, den Zustand sanierter Haltungen, die zum Teil seit mehr als 13 Jahren den Betriebsbedingungen der Kanalisation ausgesetzt waren, zu überprüfen.
 

bi-Chefredakteur Artur Graf zu Eulenburg

  Angesichts des drängenden Interesses der Netzbetreiber unterstützte das NRW-Umweltministerium dieses Projekt finanziell. Neben dem IKT-Projektteam waren mit Prof. Dr.-Ing. B. Falter (FH Münster, Statik) und Prof. Dr. K.-U. Koch (FH Gelsenkirchen, Chemie) zwei weitere ausgewiesene und anerkannte Experten beteiligt. Zusammen mit der DIBt-zugelassenen IKT-Prüfstelle unter Leitung von Dieter Homann und den Betriebserfahrungen der Netzbetreiber wurde die wissenschaftliche Kompetenz des IKT zielgerichtet für dieses Projekt ergänzt.
 
Auf die Qualitätssicherung kommt es an

Ein wesentliches Ergebnis des Forschungsvorhabens lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Schlauchlining ist ein Kanalsanierungsverfahren, das bei geeigneten Randbedingungen in der Lage ist, einen zuverlässigen und dauerhaften Sanierungserfolg herbeizuführen. Voraussetzung dafür ist jedoch ein effektives Qualitätsmanagement, welches sich lückenlos von der Planung und Ausschreibung, über die Herstellung und Konfektionierung des Liners, die Qualifikation des Baustellenpersonals, die Bauüberwachung bis zur Bau- und Gewährleistungsabnahme erstreckt.

 
"Wenn ein Schlauchliner den Anforderungen der speziellen Sanierungsaufgabe entsprechend hergestellt und mängelfrei eingebaut wird, dann sehen wir keinen Grund, die Nutzungsdauer dieses vor Ort hergestellten Rohres niedriger anzusetzen, als die eines im Werk produzierten Neurohres," so der wissenschaftliche Leiter des IKT, Dr. Bert Bosseler.

Diese Aussage stützt sich unter anderem auf die Tatsache, dass im Rahmen der Untersuchung der betrieblichen Einflüsse in Hinblick auf Abrieb, chemische Beständigkeit oder Hochdruckspülfestigkeit kaum Veränderungen an den geprüften Linern festzustellen waren.

 

Dr. Bert Bosseler: " Die Herstellung eines Rohres auf der Baustelle - nichts anderes ist Schlauchlining - stellt hohe Anforderungen an die Qualifikation aller Beteiligten. Das Risiko von Einbaufehlern ist dabei nach unseren Erkenntnissen relativ hoch."

 

Die IKT-Experten sind sich jedoch einig, dass bei dem relativ komplexen Verfahren Schlauchlining das Risiko von Fehlern gegeben ist, die zu gravierenden Mängeln führen können. Dies betrifft nicht zuletzt erschwerte Bedingungen auf der Baustelle. "Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse zeigen, dass das Risiko von Qualitätseinbußen während des Einbaus auf der Baustelle in der Regel sehr groß ist. So wurden beachtliche Vorverformungen, Faltenbildungen oder auch Aushärtungsmängel festgestellt," heißt es in dem Untersuchungsbericht. Damit wird die Bedeutung der Qualifikation des ausführenden Unternehmens und seiner Mitarbeiter unterstrichen.

 
Material ist nicht alles

In das kritische Blickfeld der Forscher rückten Aspekte, die bisher bei Überprüfungen des Sanierungserfolges nicht ausreichend Beachtung finden. "Die derzeitige Praxis der Qualitätssicherung ist bei Schlauchlinern sehr stark auf die Materialkennwerte wie Elastizitätsmodul oder Biegefestigkeit ausgerichtet. Geometriekennwerte hingegen, wie Ringspalte oder Längsfalten aufgrund ungenauer Linerkonfektionierung werden kaum erfasst und beachtet. Solche geometrischen Imperfektionen können jedoch erheblichen Einfluss auf die Statik und die Tragsicherheit des Liners haben" betont Projektleiter Marco Schlüter und macht dies an einem Beispiel für einen Schlauchliner DN 300 mit 6 mm Wanddicke deutlich:

So kann sich die Tragsicherheit dieses Schlauchliners unter Grundwassereinfluss um bis zu 50 Prozent mindern. Und zwar bereits dann, wenn sich eine Längsfalte mit einem Stichmaß von nur 1 cm bildet oder wenn der zulässige Ringspalt lediglich um 3 mm überschritten wird. Zum Vergleich: ein ähnlich dramatischer Verlust an Tragsicherheit tritt auf, wenn das E-Modul um nahezu zwei Drittel von seinem Sollwert abweicht (z.B. bei Filzlinern von 2800 auf 1160 N/mm²). Dies kommt aber in der Prüfpraxis nur sehr selten vor – anders als Falten und Ringspaltbildungen.

 

Marco Schlüter: "Wir müssen bei der Qualitätssicherung stärker die geometrischen Kennwerte berücksichtigen."

  "Dieses Beispiel unterstreicht den potenziellen Einfluss der geometrischen Kennwerte auf die Tragfähigkeit des Liners unter Grundwassereinfluss. So ist die Altrohrvermessung für die Konfektionierung des Trägermaterials von besonderer Bedeutung," betont Schlüter und weist gleichzeitig auf ein Defizit hin: "Während die Faltenbildung bei der optischen Abnahme-Inspektion leicht zu erkennen ist, ist eine Überschreitung des Ringspaltes mit heutigen Messmethoden v.a. bei nicht begehbaren Rohren schwer nachweisbar."
 
Eine Herausforderung, der sich zukünftig die Prüfstelle des IKT stellen muss. Deren Leiter Dieter Homann sieht das jedoch positiv: "Wir konnten mit unserer Arbeit nicht nur zu den Ergebnissen dieses Forschungsprojektes beitragen. Wir haben auch erarbeitet, worauf Netzbetreiber zukünftig im Rahmen einer besseren Qualitätssicherung verstärkt achten müssen."  

Dieter Homann: "Wir wissen nun, worauf Netzbetreiber zukünftig im Rahmen einer besseren Qualitätssicherung verstärkt achten müssen."

 
Für das IKT ist das Thema Schlauchlining mit dem Abschluss dieser Untersuchung noch lange nicht erledigt. "Wir haben bei dem Projekt viele wichtige Erkenntnisse gewonnen, wie man einen Vergleich verschiedener Schlauchlinersysteme aufbauen kann und worauf besonders zu achten ist," so Marco Schlüter. Ein vergleichender "Warentest Schlauchlining" sei derzeit in der Vorbereitung bestätigte IKT-Geschäftsführer Waniek.
 

Stellten der bi-UmweltBau exklusiv die Ergebnisse des Forschungsvorhabens vor: Dr. Bert Bosseler, Roland W. Waniek, Dieter Homann und Marco Schlüter (v.l).

 
Fazit

Fazit des IKT: Ja zum Schlauchlining als Sanierungsverfahren, aber die Qualität muß strengstens überwacht und neutral überprüft werden. Sonst besteht das Risiko fehlerhafter Sanierungen, die unerwünschte Kosten und Ärger nach sich ziehen. Netzbetreiber müssen sich davor durch Qualitätsüberwachung absichern. Schon jetzt muß von jeder einzelnen Schlauchliner-Sanierung eine Probe entnommen und durch ein unabhängiges Prüfinstitut untersucht und bewertet werden. Darüber hinaus sind praxisnahe Verfahren zur Erfassung der geometrischen Kennwerte zu entwickeln.

Die Kurz- und Langfassung des Forschungsberichtes ist auf der IKT-Homepage unter www.ikt.de zu finden und kann von dort kostenlos heruntergeladen werden.

Für weitere Informationen steht Projektleiter Marco Schlüter unter Tel.: 0209 17806-31 oder email: schlueter@ikt.de zu Verfügung.

A. zu Eulenburg



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