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IKT-eNewsletter August 2003
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Zustandserfassung privater Leitungen

Zustandserfassung privater Leitungen – technische Umsetzung, Teil 5
 

Private Abwasserleitungen betreffen auch öffentliche Kanalnetzbetreiber: Akute Probleme wie starke Fremdwasserzuflüsse aus Hausanschlüssen sowie knappe gesetzliche Fristen machen Privatleitungen zur öffentlichen Angelegenheit. Große Unsicherheiten herrschen bei vielen Betroffenen: Wie orten, wie inspizieren und wie Dichtheit prüfen? Lesen Sie im fünften und letzten Teil der IKT-eNewsletter - Reihe „Grundstücksentwässerung“ mehr dazu, worauf Sie beim grundsätzlichen Vorgehen achten sollten.                                                          

Im April diesen Jahres wurden Ihnen im ersten Teil der IKT-Newsletterreihe „Grundstücksentwässerung“ die umfangreichen Praxisuntersuchungen des IKT und die sich daraus ergebenden Kernergebnisse dargestellt.

Im zweiten Teil der Serie (Mai 2003) wurde es dann konkret: Hier wurden Fragen zu den zugelassenen Prüfverfahren und zu den einzuhaltenden Prüfintervallen im Detail beantwortet. Zusätzlich wurden die Besonderheiten der privaten Abwassernetze dargestellt und 5 Netztypen definiert, die dabei helfen können, das private Abwassernetz zu untersuchen.

Im dritten Teil der Serie (Juni 2003) wurden Ihnen die bei der Reinigung und Ortung einsetzbaren Verfahren vorgestellt und aufgezeigt, wodurch sich Probleme ergeben können. Ebenfalls wurde dargestellt, wie mit den Schwierigkeiten einer Vorflutsicherung im privaten Leitungsbereich umgangen werden kann.

Im vierten Teil der Serie (Juli 2003) ging es um die einsetzbaren Verfahren bei der Zustandserfassung und Dichtheitsprüfung. Angelehnt an die im Mai vorgestellten Netztypen wurden die Einsatzgrenzen sowie die Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren in den jeweiligen Netzabschnitten aufgezeigt.

Im fünften und letzten Teil der Serie sollen nun die folgenden Fragen beantwortet werden:

  • Wie geht man in Abhängigkeit des Gebäudetyps und des Gebäudealters vor?

  • Welche Verfahren sollte ich wie kombinieren?

  • Welcher Aufwand bei der Zustandserfassung ist noch sinnvoll in Bezug auf die Forderungen des §45 BauO NRW und einer Sanierungsplanung?
  • Worauf ist bei dem Bürgerkontakt zu achten?

  • Worauf sollte man bei der Firmenbeauftragung achten?

 

Wie geht man in Abhängigkeit des Gebäudetyps und des Gebäudealters vor?

Nicht immer ist es sinnvoll, umfangreiche Untersuchungen zur Dichtheit der Leitungen durchzuführen. Oftmals zahlt sich ein Abwägen des Untersuchungsumfanges im Vorfeld aus:

Vorgehens-Empfehlung in Abhängigkeit des Gebäudealters

Macht eine intensive Dichtheitsprüfung aller Netzbereiche bei Neubauten noch Sinn, so ist der Sinn umfangreicher Prüfungen bei alten Gebäuden fraglich. Speziell bei Gebäuden, die vor 1965 erbaut worden sind, kann zuerst einmal von Undichtigkeiten ausgegangen werden. Dies gilt vor allem, wenn veraltete Dichtungssysteme wie z.B. Hanfstrickdichtungen bei Steinzeugrohren eingesetzt und zwischenzeitlich keine Erneuerungen oder Sanierungen durchgeführt worden sind. In der Regel sollte bei diesen Gebäuden sofort mit den Sanierungsplanungen begonnen werden, ohne vorher noch einmal viel Geld für die „Undichtigkeits“-Prüfung auszugeben.

 

Bild 1: Leitung eines alten Gebäudes

Bild 2: Leitung eines neuen Gebäudes

 

Vorgehens-Empfehlung in Abhängigkeit des Gebäudetyps

Bei den Gebäudetypen sollte man zwischen Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern sowie öffentlichen Gebäuden unterscheiden:

Bei einem Einfamilienhaus ist normalerweise mit einem relativ übersichtlichen Netzverlauf zu rechnen. Hier kann nach der Mieterkontaktierung und der Beschaffung aller verfügbarer Unterlagen zu Rohrmaterialien, Änderungen, Erneuerungen oder Sanierungen des Leitungssystems ohne weitere Vorarbeiten eine Wasserfüllstandsprüfung nach DIN 1986 am gesamten Netz durchgeführt werden. Bei Einhalten der zulässigen Wasserzugabemenge kann dann eine Dichtheitsbescheinigung nach §45 Landesbauordnung NRW ausgestellt werden. Werden die Prüfkriterien nicht erfüllt, sollte das Netz in die im Mai definierten Netztypen unterteilt werden. Auf dieser Grundlage kann dann der Arbeitsaufwand für weitere Untersuchungen abgeschätzt und schließlich entschieden werden, ob zunächst Maßnahmen zur Ortung und Zustandserfassung durchzuführen oder direkt Teilnetze ohne weitere Zustandserfassung zu sanieren sind. Werden Schäden oder Leckagen an den Leitungen festgestellt, sind in jedem Falle geeignete Sanierungsmaßnahmen an den entsprechenden Teilnetzen einzuleiten. Dichtheitsprüfungen an einzelnen Teilnetzen empfehlen sich insbesondere, wenn die betreffenden Leitungen in einem guten optischen Zustand sind.

Größere Mehrfamilienhäuser und öffentliche Gebäude besitzen normalerweise ein weitverzweigtes Entwässerungsnetz. Hier ist eine Prüfung des Gesamtnetzes in der Regel kaum sinnvoll und aussagekräftig. Hier sollten alle verfügbaren Unterlagen zu Rohrmaterialien, Änderungen, Erneuerungen oder Sanierungen des Leitungssystems auf Grundlage einer Ortsbegehung abgeglichen bzw. vervollständigt werden. Speziell bei Mehrfamilienhäusern gilt es, mehrere Anwohner zu informieren. Einen großen Aufwand kann es bedeuten, im Kontakt mit den Eigentümern und Mietparteien abzuklären, welche Räume sich im Untersuchungsbereich befinden und wann diese für Ortsbegehungen und Prüfungen zugänglich sind. Bei öffentlichen Gebäuden wird man den komplexen Netztyp D (bei öffentlichen Toilettenanlagen) häufig antreffen.

 

Bild 3: Öffentliche Toilettenanlage

 

Welche Verfahren sollte ich wie kombinieren?

Nach einer kurzen, stichprobenartigen Überprüfung des Leitungsnetzes mit Kamera-Einsatz kann entschieden werden, ob eine Reinigung der zu inspizierenden Leitung notwendig ist.

Die Reinigung der Hauptleitungsstrecken der Netztypen HAL, A und B sollte mittels Wasserhochdruck vorgenommen werden. Liegen starke Verschmutzungen vor, die durch eine Hochdruckreinigung nicht zu beseitigen sind, kann eine Spiralmaschine eingesetzt werden. Bei seitlichen Abzweigen und den Netztypen C und D sollte eine Hochdruckreinigung nur vorgenommen werden, wenn ein Zugang über Abläufe von WCs gegeben ist und schwere Schäden (z.B. an der Inneneinrichtung) durch einen Wasserrückstau ausgeschlossen sind. Als Alternative kann eine Spiralmaschine mit zusätzlicher Wasserspülung eingesetzt werden.

Anschließend kann mit der Zustandserfassung begonnen werden. Durch eine Ortungssonde, die z.B. direkt in die TV-Kamera integriert ist, wird die Orientierung im Entwässerungsnetz erleichtert. Durch die Zugabe von Tracern an den Entwässerungsstellen lassen sich bei Kamerabeobachtung der Abzweige auch die nicht inspizier- und ortbaren Leitungen den Entwässerungsstellen zuordnen.

Um sowohl die Hauptleitungsstrecken der Netztypen HAL, A und B als auch deren Zuläufe zu inspizieren, würde sich idealerweise der Einsatz von Satellitenkameras empfehlen. Allerdings muss dazu die Hauptleitung ohne Bögen geradlinig verlaufen, der Leitungsdurchmesser mindestens DN 150 betragen, die Leitung keine starken Schäden aufweisen und mindestens ein Schacht als offener Durchfluss ausgeführt sein, um die Kameras überhaupt einsetzen zu können. Wenn der Einsatz einer Satellitenkamera nicht möglich ist, sollten für die Hauptleitungsstrecken der Netztypen HAL, A und B Kameras auf Fahrwagen mit Dreh-Schwenkkopf eingesetzt werden. Ist auch dies nicht möglich, empfiehlt sich der Einsatz einer Spülkamera.

Die Zustanderfassung der kompletten Netze der Typen C und D ist nicht oder nur unter großem technischen und zeitlichen Aufwand durchführbar. Die Leitungen dieser Netztypen sollten daher nur stichpunktartig mit einer Schiebekamera inspiziert werden. Wenn allein die Schaffung von Zugänglichkeiten bereits mit sehr großem Aufwand verbunden ist, kann auch der Einsatz eines Endoskops sinnvoll sein.

Werden man bereits bei der optischen Inspektion starke Schäden, Leckagen oder Grundwasserinfiltration feststellt, kann grundsätzlich von der Undichtigkeit der betrachteten Leitungsbereiche ausgegangen werden. Daher bietet sich auch eine Untersuchung zu Zeiten hoher Grundwasserstände bzw. dem vermehrten Auftreten von Schichtenwasser an.

Dichtheitsprüfung

Zur Prüfung eines kompletten Entwässerungsnetzes, seitlicher Abzweige oder der Netztypen C und D sollte die Wasserfüllstandsprüfung nach DIN 1986 mit angepassten Kriterien eingesetzt werden. Druckprüfungen können i.d.R. in diesen Bereichen nicht oder nur mit hohem Aufwand durchgeführt werden.

Um den Wasserpegel während der Prüfzeit zu kontrollieren, kann ein Drucksensor in die Leitung eingebracht werden. Der Sensor muss nur wenige Zentimeter von Wasser überdeckt sein, um zuverlässige Messwerte zu liefern.

 

Bild 4: Drucksensor in einem Bodeneinlauf zur Messung der Wasserhöhe

Bild 5: Kontrolle des Wasserpegels per Computer

   

Bild 6: Prüfergebnis: „dicht“

Bild 7: Prüfergebnis „undicht“

 

Eine Druckprüfung mit Luft oder Wasser nach den Kriterien der DIN EN 1610 oder ATV M 143 ist im häuslichen Abwasserbereich mit vertretbarem Aufwand nur an den Hauptleitungsstrecken der Netztypen HAL, A und B sinnvoll. Hier kann im ersten Schritt eine Luftdruckprüfung gewählt werden, die meist schneller durchzuführen ist als eine Wasserdruckprüfung. Bei Zweifeln an dem Prüfergebnis sollte zur Kontrolle eine Wasserdruckprüfung durchgeführt werden. Für den vorliegenden Anwendungsfall wird das Verfahren nach ATV M 143, Teil 6 empfohlen. Dieses orientiert sich an im Betrieb befindlichen Leitungen und ist im Vergleich zum Verfahren nach DIN EN 1610 schneller durchführbar, d.h. keine Vorfüllzeit sowie geringere Prüfzeit und Druckanforderungen.

Welcher Aufwand bei der Zustandserfassung ist noch sinnvoll in Bezug auf die Forderungen des §45 BauO NRW und einer Sanierungsplanung?

Zeit und Geld kann bei der Vorbereitung von Dichtheitsprüfungen eingespart werden: Bei einer Kamerabefahrung ist es normalerweise nicht notwendig, alle Muffen abzuschwenken bzw. auch noch die letzten, feinen Haarrisse zu dokumentieren. Auch ist allein für die Dichtheitsprüfung eine exakte Ortung und Einmessung des Leitungsverlaufes nicht zwingend notwendig. Wichtiger ist es, sich einen Überblick über den Zustand und die Topologie des Netzes zu verschaffen.

In finanzieller Hinsicht scheint es günstiger zu sein, nicht pauschal bei allen Gebäudetypen- und –altern den detaillierten Nachweis der Dichtheit zu fordern, sondern unter Umständen direkt Maßnahmen zur Sanierungsplanung einzuleiten (siehe auch Vorgehen in Abhängigkeit des Gebäudetyps und –alters.). In diesem Fall kann dann der Zustand des Netzes direkt von der Sanirungsfirma als Vorbereitung für die Arbeiten detailliert erfasst werden. Wurden vorher im Rahmen der Dichtheitsprüfung Kamerabefahrungen in den Leitungen der Netztypen HAL, A und B durchgeführt, reichen diese Ergebnisse in der Regel für die Auswahl eines geeigneten Sanierungsverfahrens aus. Bei verzweigten Teilnetzen wie z.B. Netztyp D sollte (so möglich) relativ schnell mit einer Neuverlegung der Leitungen begonnen werden, anstatt viel Geld für die Untersuchung dieses Leitungsbereiches zu investieren.

Worauf ist bei dem Bürgerkontakt zu achten?

Erfahrungen zeigen, dass sich der Bürger der Verantwortung für die privaten Abwasserleitungen häufig nicht bewusst ist. Die Kosten für evtl. notwendige Sanierungsmaßnahmen sind daher nicht eingeplant und stellen zwangsläufig ein Ärgernis dar. Daher wird der Bürger bei rein ordnungsrechtlichen Verfügungen seitens der Gemeinde selten gewillt sein, Dichtheitsprüfungs- und Sanierungsmaßnahmen von sich aus durchführen zu lassen. Aus diesem Grund sollten die Hausanschlussleitungen frühzeitig als Vorleistung der Kommune inspiziert und gegenüber dem Eigentümer die Notwendigkeit des Handelns und die Kostenersparnis sowie die Qualitätssicherheit einer gebündelten Sanierung verdeutlicht werden. Es ist empfehlenswert, das Einverständnis des Eigentümers für das weitere Vorgehen frühzeitig schriftlich einzuholen. Auf diesem Wege ist es auch möglich, eine Kostenersparnis durch Bündelung der Maßnahmen und bei einer notwendig werdenden Sanierung eine für alle Seiten technisch optimale Lösung zu erzielen.

Im Gespräch mit dem Bürger (z.B. bei einer Ortsbegehung) ist es sinnvoll, bereits wichtige Informationen einzuholen, z.B. ob Bodeneinläufe im Keller entfernt werden können oder ob der Bürger mit einer offenen Leitungsführung einverstanden ist.

Während der Bauausführung ist eine Bürgerbetreuung unumgänglich. Speziell wenn Arbeiten direkt von Wohnräumen aus auszuführen sind, ist es wichtig, das ein Ansprechpartner für die Bürger zur Verfügung steht.

Worauf sollte man bei der Firmenbeauftragung achten?

Bei den IKT-Untersuchungen zeigte sich, dass nur wenige der nach einer Vorauswahl für das Vorhaben eingesetzten Firmen tatsächlich hinsichtlich Personalqualifikation und Gerätetechnik in ausreichendem Maße auf die Verhältnisse im häuslichen Leitungsnetz vorbereitet waren. Obwohl klare Vorgaben bei der Auftragserteilung gemacht wurden, war die Gerätetechnik der Firmen vor Ort nicht immer für eine Zustandserfassung des häuslichen Abwassernetzes geeignet. Das Personal einiger Firmen wurde bei den Untersuchungen zum ersten Mal mit der Zustandserfassung und Dichtheitsprüfung im Grundleitungsbereich von Gebäuden konfrontiert.

Dennoch sollten Forderungen nach Gütezeichen etc. gut abgewägt werden, da durch solche Forderungen u.U. kleinere Firmen, die über großes Know-How im Bereich der Grundstücksentwässerung verfügen (wie z.B. einige Rohrreinigungsfirmen), von Aufträgen ausgeschlossen werden können. Sinnvoller erscheint hier die genaue Definition der verlangten Leistungen. Ideal wäre die Überprüfung der Fähigkeiten der Firma auf einer Probebaustelle.

Bei Dichtheitsprüfungen zur Abnahme nach Neubau bzw. Sanierung sollten die Interessen der bauausführenden Firmen und der Firma, die die abschließenden Dichtheitsprüfungen durchführt, beachtet werden. Durch eine Trennung von Ausführendem und Prüfendem und stichprobenartige Begleitung von Dichtheitsprüfungen durch ein beauftragtes Ingenieurbüro oder einen Mitarbeiter der Gemeinde können Gefälligkeits-Bescheinigungen vermieden werden.

IKT-eNewsletter-Reihe Grundstücksentwässerung

Dies war der letzte Teil der IKT-Newsletter Reihe zum Thema Zustandserfassung von privaten Leitungen - technische Umsetzung. Wir hoffen, Ihnen einige Anregungen gegeben zu haben, die Ihnen bei der Zustandserfassung auf privaten Grundstücken behilflich sind. Falls Sie weitergehende Fragen zu der eNewsletter-Reihe haben, zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren: 

Dipl.-Ing. René Puhl
IKT - Institut für Unterirdische Infrastruktur
Exterbruch 1
45886 Gelsenkirchen
Tel.: 0209 17806-22
Fax.: 0209 17806-88
Email:
puhl@ikt.de



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