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IKT-eNewsletter Februar 2012
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"Alle müssen sich jetzt einer fachlichen Diskussion stellen!"

Der infodienst Grundstück und Wasser hat mit NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) über den Gesetzentwurf der Regierung und das weitere Vorgehen gesprochen.


Regierung und Opposition im NRW-Landtag haben ihre Vorschläge zur Neufassung des Landeswassergesetzes in Hinblick auf die Überprüfung privater Abwasserleitungen vorgestellt. Wie es jetzt weitergeht, darüber sprachen wir mit Landesumweltminister Johannes Remmel (Bündnis 90/Grüne).

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NRW-Umweltminister
Johannes Remmel (Grüne)

infodienst: Wie konnte es in so kurzer Zeit in einigen Regionen von NRW zu so großen Bürgerprotesten gegen die Dichtheitsprüfung kommen?

Remmel: Ich glaube, in den Kommunen ist das Thema jeweils unterschiedlich angepackt worden. Da ist über die Distanz viel Unsicherheit entstanden. Es gibt Kommunen, in denen es ohne Diskussion umgesetzt wurde. Und wir haben Kommunen, wo das ganz schwierig ist. Damit muss man jetzt umgehen. Wir können aber nicht bei null anfangen, sondern müssen schauen, was Priorität hat und was vielleicht etwas später erfolgen kann.

infodienst: Hat die Politik vielleicht auch etwas falsch gemacht?

Remmel: Ich mag nicht gerne von DER Politik reden. Es sind immer ganz konkrete Akteure, ganz konkrete Regierungen. Und natürlich hat es in der letzten Legislatur unter Schwarz-Gelb eine Veränderung gegeben, als die Dichtheitsprüfung aus dem Baurecht ins Wasserrecht überführt worden ist. Aber danach ist zu wenig getan worden. Und jetzt rückt das Jahr 2015 immer näher, und plötzlich merken viele Leute, dass sie diese Prüfung noch nicht gemacht haben. Aber Eigentum verpflichtet auch dazu, dass man in gewissen Abständen in die Abwasserleitungen schaut.

infodienst: Die Dichtheitsprüfung ist nach dem Votum im Umweltausschuss also nicht tot?

Remmel: Es ging in dieser Sitzung nicht um eine Aussage über die Notwendigkeit der Funktionsprüfung, sondern es war der Wunsch der drei Oppositionsfraktionen, den Vollzug eines bestehenden Gesetzes auszusetzen. Das geht schlicht nicht. Aber die grundsätzliche Notwendigkeit, dass Kanäle betriebssicher und funktionsfähig sein müssen, die wird, glaube ich, von niemandem in Frage gestellt.

infodienst: Die Opposition geht davon aus, dass Abwasserleitungen generell dicht sind, bis man das Gegenteil beweist. Geht das?

Remmel: Das ist die Beweislastumkehr. Das ist eine rechtliche Konstruktion, die wir zum Beispiel aus der Gefahrenabwehr kennen. Aber im Wasserrecht hat es immer den Grundsatz der Besorgnis gegeben. Und das gilt selbstverständlich auch im Hinblick auf undichte Kanäle, für das Grundwasser und den Boden. Der Gesetzentwurf von CDU und FDP würde aus meiner Sicht erstens das bestehende Bundesrecht nicht umsetzen und zweitens in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten führen.

infodienst: Und was plant die Regierungsseite?

Remmel: Erkennbar war ja schon, dass selbst bei größter Anstrengung die Frist bis 2015 nicht einzuhalten war. Insofern macht es Sinn, das Ganze zeitlich etwas zu strecken und bestimmte Prioritäten zu setzen. Ich glaube, es ist unstrittig, dass man in Wasserschutzgebieten besonders aufpassen muss. Da bin ich der Meinung, bis 2015 sollte das passiert sein, vor allem, wenn es um ältere Häuser geht. Ähnliches gilt aus meiner Sicht für gewerblich genutzte Immobilien. Wir müssen doch zum Beispiel bei einer chemischen Reinigung auf die Kanäle aufpassen! Oder nehmen sie ein Fußballstadion. Da ist auch ein privater Kanal.

infodienst: Welche Fristen schlagen Sie vor für Wohnimmobilien außerhalb von Schutzgebieten?

Remmel: Ab einer gewissen Größenordnung – zum Beispiel alles, was größer als ein Einfamilienhaus ist – sollte bis 2020 untersucht werden. Über die kleineren Immobilien kann man sich dann unterhalten. Ich bin der Meinung, auch da sollte es eine zeitliche Frist geben im Bereich 2023 bis 2025. Die andere Alternative ist, hier erstmal auf eine Frist zu verzichten. Das werden wir jetzt miteinander diskutieren.

infodienst: Sie plädieren also für eine flächendeckende Überprüfung?

Remmel: Ich bin der Meinung, dass wir in bestimmten Abständen unsere Kanäle – ähnlich wie andere technische Anlagen auch – überprüfen und überwachen sollten.

infodienst: Wie legt man fest, was ein Einfamilienhaus ist und was nicht?

Remmel: Das muss möglichst einfach sein. Ursprünglich war einmal angedacht, die Grenze bei 200 Kubikmeter Schmutzwasserabfluss pro Jahr zu ziehen. Jetzt ist die Formulierung: zwei Wohneinheiten. Für präzisere Kriterien sind wir natürlich offen.

infodienst: Viele Gegner sagen, die Landwirtschaft sei der eigentliche Verschmutzer. Was sagen Sie als Landwirtschaftsminister dazu?

Remmel: Man muss das eine tun, darf das andere aber nicht lassen. Beides ist nicht in Ordnung. Wir müssen bei der Gülle etwas tun – und das machen wir auch – und eben bei den privaten Kanälen.

infodienst: Was vielen Menschen Sorgen bereitet, ist die teure Sanierung schadhafter Leitungen. Wie wollen Sie damit umgehen?

Remmel: Um diese Befürchtung etwas zu zerstreuen, haben wir an vielen Stellen nachgebessert. Erstens haben wir klargestellt, dass nicht jeder Schaden saniert werden muss: Schwere Schäden müssen selbstverständlich saniert werden. Da ist Gefahr im Verzug. Bei Bagatellschäden muss aber grundsätzlich nicht saniert werden. Und bei Schäden mittlerer Größenordnung haben wir jetzt vorgeschlagen, beim Einfamilienhaus auf eine zeitliche Pflichtvorgabe für die Sanierung zu verzichten. Es will doch niemand, dass Rentnerinnen und Rentnern das Leben im eigenen Haus unmöglich gemacht wird. Zum Zweiten haben wir ein attraktives Förderprogramm verabschiedet.

infodienst: Was machen Sie denn mit Fremdwassergebieten?

Remmel: Wir haben in unserer Rechtsverordnung wie bisher auch die Option für die Kommunen, aufgrund ihrer eigenen Wasser- und Abwassersituation von den vorgeschlagenen Fristen abzuweichen.

infodienst: Jetzt liegen dem Landtag zwei sich diametral gegenüber stehende Gesetzentwürfe vor. Wo sehen Sie eine Kompromisslösung?

Remmel: Wir planen ja nicht die Fortschreibung der bestehenden gesetzlichen Lage, sondern kommen auch einem Grundgedanken des Gefährdungspotenzials nach, der sich auch in dem CDU-FDP-Vorschlag wiederfindet. Insofern sehe ich da Schnittmengen und würde mir wünschen, dass wir auf dieser Linie dann zu einer Verabschiedung kommen.

infodienst: Was passiert, wenn kein Kompromiss gefunden wird und eine Abstimmung unentschieden ausgeht?

Remmel: Das, glaube ich, wird nicht passieren. Falls doch, gilt natürlich das alte Recht solange, bis es ein neues Recht gibt.

infodienst: Wie lautet Ihre Botschaft an die Opposition?

Remmel: Meine Botschaft lautet: Eigentlich müssten sich alle, die seinerzeit das Gesetz in das Landeswassergesetz eingefügt haben und die ein bisschen Ehrgefühl und Verantwortungsgefühl im Leib haben, einer fachlichen Diskussion stellen!

infodienst: Vielen Dank, Herr Minister!

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