IKT - Artikelarchiv
und/oder


IKT-eNewsletter Juni 2004
<<< Druckversion aller Artikel Druckversion des akuellen Artikels >>>


Struktur der Abwasserwirtschaft in NRW, Teil 1
Struktur der Abwasserwirtschaft in NRW, Teil 1

Die Abwasserwirtschaft ist ein bedeutender Sektor. Sie hat nicht nur einen umweltschützenden Aspekt, sondern spielt eine zentrale Rolle bei der Versorgung von Bürgern und Wirtschaft mit der Dienstleistung Abwasserentsorgung. Insofern kommt ihr auch eine volkswirtschaftliche Bedeutung zu, die oft in der Öffentlichkeit unterschätzt wird. Eine aktuelle Studie des IKT und der Ruhr-Universität Bochum untersucht Investitionen, Kostenstrukturen, Beschäftigungseffekte und Produktivität der Abwasserwirtschaft in NRW.

 
Die Abwasserbranche bringt das "Produkt" Abwasserentsorgung hervor, setzt Produktionsfaktoren ein, verknüpft diese in internen Leistungsprozessen und verfügt über externe Verbindungen zu Lieferanten und Kunden. Kurzum, der Abwasserbranche kommt als spezifischer Bestandteil der Wertschöpfungskette unserer Volkswirtschaft auch eine wirtschaftliche Bedeutung zu, die über das Sachziel der Abwasserbeseitigung zum Schutz der Gewässer und zur Aufrechterhaltung der Lebensgrundlagen für Menschen und Ökosysteme hinausgeht.

Vor diesem Hintergrund hat die mit diesem Beitrag beginnende IKT-eNewletter-Reihe die Darstellung der Strukturmerkmale und der wirtschaftlichen Bedeutung der Abwasserwirtschaft Nordrhein-Westfalens zum Inhalt.

Zur Abbildung der Strukturen in der Abwasserwirtschaft wird zunächst Bezug genommen auf das Abwasseraufkommen und die Entsorgungsinfrastruktur in NRW. Sodann erfolgt die Darstellung der Branchenstrukturen. Dabei wird über folgende Strukturelemente berichtet:

  • Träger,
  • Organisation,
  • Wert der Abwasserbeseitigungsinfrastruktur,
  • Investitionen,
  • Kostenstruktur,
  • Gebühren und Beiträge,
  • Beschäftigung,
  • Produktivität und
  • Zustand der Kanalisation in Nordrhein-Westfalen.

Darauf aufbauend werden Aussagen zur gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der Abwasserwirtschaft getroffen.

 
1. Abwasserbeseitigung in NRW

1.1 Abwasseraufkommen

Der größte Teil der Einleitungen in Gewässer stammt aus dem Bereich der öffentlichen Abwasserbeseitigung. Im Jahr 2000 (2001) leitet die öffentliche Abwasserbeseitigung 2.954 Mio. m3 (2.959,5 Mio. m3) Abwasser in die Vorfluter, die Industrie leitet 2.358 Mio. m3 Abwasser direkt ein. Bei den industriellen Abwässern ist zwischen Kühl- und Schmutzwasser zu unterscheiden. Kühlwasser wird v.a. in Kraftwerken zur Kühlung der Turbinen und Generatoren eingesetzt und unbehandelt in die Vorfluter eingeleitet. Kleinere Abwassermengen gelangen aus Kleinkläranlagen (27 Mio. m3), Regenwasserentlastung (401 Mio. m3) und Mischwasserentlastung (329 Mio. m3) in die Gewässer. Insgesamt werden im Jahr 2000 6.069 Mio. m3 Abwasser in nordrhein-westfälische Gewässer eingeleitet.

 
Der Anschlussgrad der Bevölkerung an die öffentliche Kanalisation weist steigende Zahlen auf: Insgesamt hat sich der Anschlussgrad von 1980 bis 2000 von 83,7 % auf 96,6 % erhöht. Diese Entwicklung hat z.T. in der jüngeren Vergangenheit stattgefunden. Nachdem der Anschlussgrad in der zweiten Hälfte der 90er Jahre von 94,2 % auf 94,9 % angestiegen ist, findet bis zum Jahr 2000 nochmals ein deutlicher Anstieg um 1,7 Prozentpunkte statt. Damit sind nunmehr 17,4 Mio. Einwohner an die öffentliche Kanalisation angeschlossen.

Das der öffentlichen Abwasserbeseitigung zugeführte Abwasser weist im Jahr 1998 die folgenden Bestandteile auf:

 

 
Zur Indikation der Belastung des Abwassers dient der Einwohnerwert (EW) als Summe aus angeschlossenen Einwohnern und Einwohnergleichwerten. Im Jahr 1998 summieren sich die Abwasserbelastungen von 17 Mio. Einwohnern und rd. 14 Mio. Einwohnergleichwerten zu insgesamt 31 Mio. EW (28 Mio. EW in 2000). Der Anteil der industriellen Schmutzfracht in der öffentlichen Abwasserbeseitigung liegt in Nordrhein-Westfalen bei 44,9 % (zum Vergleich: in Deutschland inkl. NRW beträgt der Anteil 37,5 %). Insgesamt verfügt Nordrhein-Westfalen über Kläranlagen mit einer aggregierten Ausbaukapazität von 38,8 Mio. EW (31,3 Mio. EW in 2000). Diese Ausbaukapazität ist geeignet, die im Lande anfallenden Abwasserbelastungen zu bewältigen.
 
1.2 Entsorgungsinfrastruktur

Zur Ableitung und Reinigung des Abwassers verfügt das Land über eine umfassende Infrastruktur. Die Länge der Kanalnetze ist im Rahmen der vom IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur durchgeführten Untersuchung der Umsetzung der Selbstüberwachungsverordnung Kanal bei den kommunalen Netzbetreibern erhoben worden. Die nachfolgende Tabelle enthält die aggregierten Angaben der Netzbetreiber zu den Kanalnetzlängen in den Regierungsbezirken nach Angaben des LDS NRW und nach der Erhebung des IKT (Berichtsjahr 2001).

 

 
Insgesamt verfügt NRW im Jahr 2001 über Kanalnetze mit einer Gesamtlänge von mehr als 87.000 km. Zum Abtransport von Schmutzwasser stehen 67.864 km zur Verfügung, davon 44.848 km Mischwasser- und 23.016 km Schmutzwasserkanäle. Sofern nun diese Kanalisationssysteme einander entsprechende Anschlussdichten aufweisen, werden die Schmutzwassermengen in NRW zu zwei Dritteln in Mischkanalisationen und zu einem Drittel in Schmutzwasserkanalisationen abgeleitet.
 

 
Die Entsorgung des Abwassers im Trennsystem verlangt ein zusätzliches Kanalsystem für die Ableitung von Niederschlagswasser. In Nordrhein-Westfalen stehen zu diesem Zweck insgesamt 19.443 km Regenwasserkanäle zur Verfügung.

In den nordrhein-westfälischen Regierungsbezirken sind die Entwässerungssysteme in unterschiedlicher Weise verbreitet. Die nachfolgenden Tabelle gibt einen Überblick:

 

 
 
Der Blick auf das Alter der Kanalnetze zeigt, dass rd. ein Fünftel der Kanalisation vor mehr als 50 Jahren erbaut wurde. Wie die Erhöhung des Anschlussgrades vermuten lässt, ist überdies der Ausbau des Kanalnetzes längst nicht abgeschlossen. Die Baujahre von über einem Siebtel der Kanalisation datieren nach dem Jahr 1990.
 

 
 
Das insgesamt gut ausgebaute Kanalnetz erlaubt eine umfassende Sammlung und Weiterleitung der Abwässer zu den Kläranlagen. Damit liegen im Bereich der Kanalisation gute Voraussetzung für die Erbringung der Entwässerungsaufgabe vor.

Die Behandlung der Abwässer erfolgt im Jahr 2000 in 739 Kläranlagen. 1998 waren noch 901 Kläranlagen in Betrieb. Mit dem Abbau der Anzahl der Kläranlagen geht eine Strukturverschiebung zugunsten der größeren Kläranlagen einher. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick.

 

 
Die Anschlussgröße – als Maß für die tatsächliche Inanspruchnahme der Anlagen – liegt mit 28,2 Mio. Einwohnerwerten deutlich unterhalb der Ausbaugröße von 35,4 Mio. Einwohnerwerten. Zudem sind in NRW alle Kläranlagen mit einer Ausbaugröße über 2.000 EW mit einer biologischen Reinigungsstufe ausgestattet. Insofern verfügt NRW auch hinsichtlich der Kläranlagen über eine gute und dem Stand der Technik entsprechende Ausstattung. Der vergleichsweise hohe Standard nordrhein-westfälischer Kläranlagen ist u.a. daran zu erkennen, dass über 52 % der in Deutschland befindlichen Kapazitäten biologischer Anlagen mit Filtration in NRW beheimatet sind.

Zur Bewältigung von Niederschlagsereignissen verfügt das Land zur Zeit insgesamt über ca. 6.000 Regenentlastungsanlagen mit einer Kapazität von insgesamt rd. 10 Mio. m3, das entspricht rd. 30 % der Entlastungskapitäten in Deutschland.

Die in den Händen der öffentlichen Netzbetreiber befindlichen Pumpwerke als weiterer Bestandteil der Entsorgungsinfrastruktur summieren sich nach einer Umfrage des IKT im Jahr 2001 auf rd. 6.300 Anlagen.

Zusammenfassend lässt sich hinsichtlich der Ausstattung des Landes mit Einrichtungen der Entwässerungsinfrastruktur feststellen, dass sich diese auf einem hohen Niveau befindet. Das gilt sowohl für das Kanalnetz und die Anschlussquoten als auch für die Regenentlastungskapazitäten sowie die Ausstattung mit biologischen und weitergehenden Reinigungskapazitäten. Die Anforderungen an die biologische Abwasserbehandlung, wie sie sich aus den einschlägigen EU-Richtlinien ergeben, erfüllen die kommunalen Anlagen in Nordrhein-Westfalen weitgehend. Die Betrachtung der Verschmutzungsparameter seit Mitte der 70er Jahre lässt eine beachtliche Reduzierung der in die Vorfluter eingeleiteten Schadstofffrachten erkennen.

 
IKT-eNewsletter-Reihe "Struktur der Abwasserwirtschaft in Nordrhein-Westfalen"
  • In den nächsten IKT-eNewslettern zum Thema "Struktur der Abwasserwirtschaft in Nordrhein-Westfalen" erfahren Sie, welche Branchenstrukturen die nordrhein-westfälische Abwasserwirtschaft aufweist und welche Position die Abwasserbranche in gesamtwirtschaftlicher Perspektive einnimmt.
 
 

Für weitere Informationen
wenden Sie sich bitte an:

Dr. rer. oec. Lutz Rometsch

IKT - Institut für Unterirdische Infrastruktur

Exterbruch 1

45886 Gelsenkirchen

Tel.: 0209 17806-0

Fax.: 0209 17806-88

Email: rometsch@ikt.de
Internet:
www.ikt.de



  Weitere Artikel zum Thema  
  Recht/Politik  
  4. Tag der Grundstücksentwässerung:
Private Abwasseranlagen zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik
12/12  
  Sanierung von Kleinkläranlagen 12/12  
  Grundstücksentwässerung: Aktuelles aus Sicht des KomNetGEW 09/12  
 


<<< Druckversion aller Artikel Druckversion des aktuellen Artikels >>>
Zum Seitenanfang >>>


© IKT - Institut für Unterirdische Infrastruktur gGmbH 2024
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung des IKT