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03.03.2005


Sanierungskonzepte von Grundstücksentwässerungen
Struktur der Abwasserwirtschaft in Nordrhein-Westfalen, Teil 7: Gesamtwirtschaftliche Bedeutung
 

In der Fortführung des Strukturberichtes der Abwasserwirtschaft wird im siebten und letzten Teil die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Abwasserwirtschaft in NRW betrachtet.

 
3. Ökonomische Bedeutung und weitere Entwicklung der Abwasserwirtschaft

Ein Anhaltspunkt zur Abschätzung des Marktvolumens der öffentlichen Abwasserentsorgung in Nordrhein-Westfalen lässt sich anhand der Wertsumme der Verkäufe zu Marktpreisen gewinnen: Bei Abwassergebühren in Höhe von 146 € pro Kopf und Jahr summiert sich das Marktvolumen der öffentlichen Abwasserentsorgung in NRW auf insgesamt 2,6 Mrd. € pro Jahr. Dieser Betrag entspricht rd. 0,9 % des Umsatzes im Produzierenden Gewerbe im Jahr 2001.

Mit den verhältnismäßig geringen Wertschöpfungsanteilen korrespondieren die Beschäftigtenzahlen in der Branche: In der öffentlichen Abwasserversorgung in Nordrhein-Westfalen sind derzeit etwa 8.000 Erwerbstätige beschäftigt. Dieses entspricht einem Erwerbstätigenanteil in Höhe von etwa 0,1 % bezogen auf die insgesamt 7,686 Mio. Erwerbstätigen in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2001.

Vor dem Hintergrund, dass in Nordrhein-Westfalen nur jeder 1.000. Erwerbstätige direkt in der öffentlichen Abwasserentsorgung beschäftigt ist, sind die direkten Beschäftigungseffekte aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive als marginal zu bezeichnen. Hinsichtlich des Marktvolumens ist eine entsprechende Feststellung zu treffen.

Die ökonomische Bedeutung der Branche kommt allerdings nicht allein in den Indikatoren Produktion, Marktvolumen und Beschäftigung zum Ausdruck. Vielmehr sind zusätzlich die bei  infrastrukturellen Einrichtungen typischerweise mittelbar auftretenden ökonomischen Effekte zu berücksichtigen. Diese resultieren aus Leistungsabgaben der Infrastruktur, welche wirtschaftliche Aktivitäten ermöglichen bzw. begünstigen. Das Leistungsvermögen der Abwasserentsorgungswirtschaft ist insbesondere darin zu sehen, dass in Nordrhein-Westfalen sowohl aus quantitativer als auch aus qualitativer Sicht ein hohes Maß an Entsorgungssicherheit vorzufinden ist. Damit sind wesentliche Voraussetzungen für die bestehenden Siedlungs- und Gewerbestrukturen in Nordrhein-Westfalen geschaffen worden. Die aus der hohen Bevölkerungsdichte sowie der Anzahl von Gewerbe- und Industriebetrieben resultierende Wirtschaftskraft im Lande kann erst dadurch zur Entfaltung kommen, dass weder die Bevölkerung noch die Gewerbe- und Industriebetriebe Engpässe im Bereich der Abwasserentsorgung befürchten müssen. Hierin sind die mittelbaren ökonomischen Wirkungen der leistungsfähigen Abwasserentsorgung zu sehen.

Für die weitere Entwicklung der Abwasserwirtschaft ist die Entwicklung der Nachfrage nach Leistungen der Abwasserbeseitigung von zentraler Bedeutung. Sofern die Nachfrage nach Abwasserbeseitigung eine abgeleitete Größe aus der Inanspruchnahme von Trinkwasser darstellt, bietet es sich zur Prognose der Wassernachfrage an, die Entwicklung der Bevölkerung und des durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauchs der Haushalte sowie die gewerblich-industrielle Wassernachfrage in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen. 

Hinsichtlich der demographischen Entwicklung ist festzustellen, dass die Bevölkerungszahl im Jahr 2000 in Nordrhein-Westfalen die 18 Mio. Grenze überschritten hat. Am 31.12.2001 lebten in über 8 Mio. Haushalten 18.052.092 Menschen im Lande. Nach der Bevölkerungsprognose des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik NRW sind ab dem Jahr 2003 in Nordrhein-Westfalen rückläufige Bevölkerungszahlen zu erwarten. Bis zum Jahr 2040 wird eine Verminderung der Bevölkerung auf 16,98 Mio. Einwohner erwartet.

Die Wassernachfrage kann nunmehr unter Einbeziehung des zu erwartenden Pro-Kopf-Verbrauchs überschlägig ermittelt werden. Bei konstantem Wasserverbrauch pro Kopf und Tag wäre allein aufgrund des Bevölkerungsrückgang eine um 5,9 % reduzierte Nachfrage nach Trinkwasser zu erwarten. Sofern überdies ein moderater Rückgang des pro Kopf Verbrauchs auf 120 l pro Tag eintritt, vermindert sich die Nachfrage nach Trinkwasser insgesamt um rd. 200 Mio. m³ auf etwa 1.030 Mio. m³.

Die Entwicklungen auf der Nachfrageseite lassen auf der Angebotsseite entsprechende Einschnitte in Richtung auf eine deutlich verminderte Produktion erwarten, d.h. das Marktgleichgewicht wird sich mengenmäßig auf einem erkennbar geringeren Niveau einpendeln. Zur Kompensation des demographischen Einflusses auf die Wassernachfrage wie in Szenario A dargestellt wäre ein Anstieg des Pro-Kopf-Verbrauchs um rd. 6 % auf  152 Liter erforderlich. Indes sehen die politischen Zielvorgaben vor dem Hintergrund des nachhaltigen Ressourcenumgangs eine entgegengesetzte Entwicklung der Pro-Kopf-Verbräuche vor.

Die gewerblich-industrielle Nachfrage nach Trinkwasser ist bereits seit einigen Jahren durch eine Entkoppelung des Wasserverbrauchs vom wirtschaftlichen Wachstum gekennzeichnet. Die Verschiebung der gesamtwirtschaftlichen Produktionsfunktion in Richtung auf einen verminderten Einsatz der Ressource Trinkwasser ist v. a. auf den Auf- und Ausbau von Wasserkreisläufen zurückzuführen. Folglich dürften auch von Seiten der Industrie künftig keine neuen Nachfrageimpulse nach Trinkwasser zu erwarten sein. Parallel zu den Entwicklungen auf dem Trinkwassermarkt wird auch der nachgelagerte Bereich der Abwasserbeseitigung nur in stagnierendem Maße von Gewerbe- und Industriebetrieben in Anspruch genommen werden.

Die skizzierten Entwicklungen sind mit ökonomischen Konsequenzen verbunden: Infolge der verminderten Inanspruchnahme werden sich die langlebigen Infrastruktureinrichtungen der Abwasserwirtschaft in der Zukunft oftmals als überdimensioniert erweisen. Folglich werden sich die Betriebskosten (z. B. für die Kanalreinigung) in Relation zur Inanspruchnahme der Abwassereinrichtungen nur unterproportional senken lassen. Zudem sind die Abwassergebühren durch erhebliche Fixkostenanteile determiniert, die sowohl auf eine geringere Abwassermenge als auch auf eine geringere Zahl von Einwohnern zu verteilen sein werden. Damit sind für die Einwohner im Lande mittel- und langfristig höhere Abwassergebühren zu erwarten.

Um der zu erwartenden Gebührensteigerung entgegenzuwirken, sind im Umfeld stagnierender Nachfrage Anpassungen in der Abwasserwirtschaft erforderlich. Dabei sind sowohl vorhandene Rationalisierungspotenziale als auch neue Marktchancen zu erschließen. Der sich bereits vollziehende Strukturwandel beinhaltet eben nicht nur Risiken, sondern auch die Chance, die anspruchsvolle Abwasserbeseitigung in Nordrhein-Westfalen langfristig in ökonomisch effizienter Form zu erbringen.

 
 

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Dr. rer. oec. Lutz Rometsch

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